Vom 17. Jahrhundert bis in den Sommer 1945 stand auf dem Rathausplatz ein Franziskanerkloster, das durch eine Munitionsexplosion im Juni des letzten Kriegsjahres weitgehend zerstört wurde. »Die bestehenden Überreste der Klosteranlage wurde in den frühen 1950er Jahren zwar abgebrochen und wichen der Neugestaltung des Rathausvorplatzes, doch wurde das Areal bereits 1984, also kurz nach Einführung des Denkmalschutzgesetzes in NRW, unter Schutz gestellt« erklärt Prof. Dr. Michael Baales, Leiter der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie für Westfalen.
Anlässlich des 800-jährigen Stadtjubiläums werden Teile der Attendorner Altstadt umgestaltet. Die geplanten Baumaßnahmen am Rathausvorplatz machten eine archäologische Ausgrabung nötig, bei der eine Fachfirma eine Fläche von 400 Quadratmetern untersuchte. Bevor die Archäologen die Arbeit aufnehmen konnten, musste der Kampfmittelräumdienst anrücken. Bei den Räumungsarbeiten wurden Teile der klösterlichen Fundamentreste beschädigt. Dr. Eva Cichy, Archäologin der LWL-Außenstelle in Olpe: »Eine engere Kooperation zwischen Archäologen und Kampfmittelräumern wäre sicher hilfreich. Diese Probleme begegnen uns immer wieder, und die Befunde im Boden leiden darunter teils stark.« Dennoch konnten die Fachleute das Areal im Anschluss gründlich untersuchen und einige bemerkenswerte Entdeckungen machen.
Zeuge des Wiederaufbaus nach großem Stadtbrand
Mit dem Verschwinden des Klostergebäudes aus dem Stadtbild nach der Explosion wich auch die Erinnerung daran zunehmend aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit. »Umso erfreulicher ist es, die Tätigkeit der Franziskaner im Herzen Attendorns durch die archäologischen Untersuchungen für die Öffentlichkeit wieder ein Stück weit sichtbar zu machen«, so der Grabungsleiter der ausführenden Fachfirma Sebastian Luke, selbst geborener Attendorner.
Die Entdeckungen der Archäologen geben die gesamte Bandbreite der bewegten Geschichte des Klosters wieder. Sie haben Spuren der Nutzung im 13. und 14. Jahrhundert gefunden, aber auch die Fundamente der Kirche sowie ihres ehemaligen Westportals. Die Zerstörung des Klosters durch zwei große Stadtbrände sowie die Explosion 1945 haben ebenso ihre Spuren im Boden hinterlassen wie die Bemühungen, die Schäden zu beheben. Ein Zeugnis dieser Bemühungen entdeckten die Archäologinnen bei Erdabreiten am Rand der Ausgrabungsfläche: eine Bauspolie, ein oberflächlich bearbeiteter Werkstein mit einer eingelassenen Inschriftentafel. »Diese ist auf einer Bleiplatte verfasst und in den Stein eingelassen worden«, erklärt Baales. »Sie bezeichnet eine Grundsteinlegung am 30. Mai 1743 sowie namentlich einige der für den Bau verantwortlichen Personen«, so Luke weiter. 1743 ist das Jahr nach einem der Stadtbrände und bezeugt damit den Wiederaufbau nach der Zerstörung des Klostergebäudes.
Bestattungen im Innenraum
Gleich mehrere, gut erhaltene Bestattungen sind zutage gekommen. Diese befanden sich im Bereich des ehemaligen Innenraums der Klosterkirche sowie in ihrem unmittelbaren Außenbereich. »Außergewöhnlich ist die Orientierung dieser Grablegen«, sagt Luke. »Denn bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden Verstorbene nach christlichem Brauchtum mit dem Kopf nach Westen und in gestreckter Rückenlage bestattet«, so Luke weiter. Allerdings fanden die Experten bei sechs der sieben Grablegen eine genau umgekehrte Situation vor: Hier wurden die Verstorbenen mit dem Kopf im Osten, Blick nach Westen in ihren Grablegen beigesetzt. Eine Erklärung hierzu gibt nach Angabe der Fachleute eine Ausgabe des »Rituale Romanum« von 1614, eine Sammlung liturgischer Handlungen nach Römischem Ritus, also ein Handbuch für katholische Priester. In der Ausgabe dieses Jahres ist verzeichnet, dass Priester mit dem Blick zur Gemeinde, also mit dem Kopf nach Osten und Blick nach Westen, bestattet werden sollen.
Ob die aufgefundenen Bestattungen tatsächlich Priestern zuzuordnen sind, können die Archäologen nicht mehr mit Gewissheit sagen. »Allerdings stehen noch Ergebnisse einer anthropologischen Untersuchung aus: Wir hoffen auf Informationen zu Lebensumständen und Todesursachen der Toten«, sagt Baales. Anschließend werden die Überreste der Gemeinde zur Wiederbestattung in der Franziskanergruft des städtischen Friedhofs übergeben.
Franziskaner in Attendorn
Der erste Kirchenbau der Gemeinschaft der Franziskaner auf dem Rathausvorplatz entstand 1648. Für den Bau der Klosterkirche wurde die bisher dort stehende Bebauung abgerissen und auch nötiges Bauland hinzugekauft. Nachdem diese Kirche aufgrund eines Statikfehlers wieder abgerissen wurde, ist 1682 ihr Nachfolgebau geweiht worden.
Auch dieser Kirchenbau stand in dieser Form nicht lange, da zwei Stadtbrände 1742 und 1783 intensive Renovierungen und Instandsetzungen nötig machten. Nach dem Einzug und der Auflösung vieler kirchlicher Besitztümer in napoleonischer Zeit wurde das Franziskanerkloster in Attendorn aufgehoben. Von dieser Zeit an diente das Gebäude verschiedenen Zwecken, bis es 1898 erneut seinem ursprünglichen Zweck zugeführt wurde.
Im Juni 1945 wurde das Klostergebäude durch eine Munitionsexplosion stark beschädigt, obwohl es die Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges selbst überstanden hatte.