Bei der aktuellen Ausgrabung der Stadtarchäologie kam ein seltenes Grubenhaus aus der römischen Kaiserzeit zum Vorschein, dessen rund 2.000 Jahre alte Lehmwand noch umgestürzt im Boden zu erkennen ist. Die Ausgrabungen sind jetzt mit dem Ende der aktuellen Ausgrabungssaison abgeschlossen. "Diese Fundstelle hat viele ergänzende Erkenntnisse zur Paderborner Stadtwerdung beigetragen. Sie gehört deshalb zu den wichtigsten Untersuchungen, die wir in der jüngsten Zeit in der Altstadt durchführen konnten", resümiert Dr. Sveva Gai, Archäologin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Die Bandbreite reicht von den ersten Besiedlungsspuren über die Parzellierung der Flächen während der Stadtgründung unter Bischof Meinwerk bis in die jüngste Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
Begonnen hatten die archäologischen Untersuchungen vor drei Jahren zunächst im Süden und Norden der riesigen Fläche. Hier kamen Siedlungsspuren aus der vorrömischen Eisenzeit zum Vorschein. In tiefen Erdgruben, die als Kegelstumpfgruben bezeichnet werden, sind vor mehr als 2.000 Jahren die Vorräte eingelagert worden. Die Gefäße waren im Laufe der Jahre zerbrochen und lagen noch am Boden der Gruben.
Erst in der Zeit Karls des Großen entstanden einige kleine Bauernhöfe, die aus Grubenhäusern bestanden. Auch ein großer Pfostenbau zeugt von dieser Besiedlungsphase. Die Spuren der Pfosten konnte das Grabungsteam noch im Boden dokumentieren, sie waren akkurat in einer Linie angeordnet. Die Bauernhöfe versorgten auch die Kaiserpfalz mit Lebensmitteln - insbesondere dann, wenn sich der König hier im 9. Jahrhundert n. Chr. mit seinem Gefolge häufig aufhielt.
Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit sind auf dem Gelände Gebäude aus Stein entstanden. Davon zeugen im Norden die Reste eines Bauwerks mit Steinfußboden und dem Ansatz eines Tonnengewölbes sowie ein ebenfalls tonnengewölbter Keller und zwei zeitlich aufeinanderfolgende Brunnen. Weitere Steingebäude mit anschließenden Latrinen sind schon vor längerer Zeit entdeckt worden.
Diese Bauwerke sind Belege dafür, dass bereits Bischof Meinwerk stark in die Siedlungsstruktur der civitas Paderburnensis, dem Kern der heutigen Altstadt, eingriff. Er ließ die Hofgräben der karolingischen und ottonischen Zeit verfüllen und mit neuen Häusern überbauen. Damit wurden die bestehenden Hofgrenzen zugunsten einer dichteren, aus kleineren Parzellen bestehenden Siedlungsstruktur aufgegeben. Hier lebten und arbeiteten Handwerker und weniger reiche Bürger in kleineren Fachwerkhäusern. Die archäologischen Funde, von den Mauern bis zu der in alten Brunnen entsorgten Keramik, zeigen, dass die Steinbebauung hier ab dem 11. Jahrhundert begann.
1629 wurde auf dem Gelände ein Kapuzinessenkloster gegründet. Zunächst wohnten die ersten drei Nonnen in bereits bestehenden Wohnungen, erst 1653 erhielt der Konvent die Erlaubnis für den Neubau des Klosters und der Kirche, die 1660 konsekriert und damit geweiht wurde. 1661 bezogen die Schwestern das neue Klostergebäude, die alte Kirche wurde abgebrochen.
Bei den Ausgrabungen konnten nordwestlich der noch bestehenden Kapelle die Mauerreste der ehemaligen Sakristei und drei Gräber der hier bestatteten Nonnen freigelegt werden. Außerdem entdeckte das Grabungsteam Klostermauern, die den Zugang zum Gelände bildeten und die das Areal abgrenzten. An der Ecke Kisau/Spitalmauer spielte sich dagegen der städtische Alltag in seiner ganzen Bandbreite ab. Schmiede, Gewerbetreibende, Wohnhäuser vom ersten bürgerlichen Steinhaus bis zur Gastwirtschaft sind hier in ihren Überresten im Boden verborgen gewesen.
Auch die aktuelle Ausgrabung brachte in den vergangenen Wochen Überraschungen ans Licht. Unter spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Mauern kamen einige Gruben zutage sowie ein großes, rundes Grubenhaus aus der römischen Kaiserzeit. Es war rund einen halben Meter in den Boden eingetieft. Gut sichtbar waren die durch ein Feuer rot gefärbten Reste einer umgestürzten Lehmwand. Getragen wurde das Haus von Pfosten, deren Spuren ebenfalls noch dokumentiert werden konnten. Hier kamen Keramik- und Metallfunde zum Vorschein, die eine zeitliche Einordnung ermöglichen. Aus einer benachbarten Grube stammen Keramikscherben, die ins 6. Jahrhundert n. Chr. und damit in die Zeit der Völkerwanderungen datiert werden können. "Das ist ein deutlicher Hinweis auf die Kontinuität der Besiedlung, die charakteristisch ist für das Gelände im Paderquellgebiet", so Grabungsleiter Robert Süße. Die Nähe zum Fluss machte die Fläche für Menschen seit jeher attraktiv.
Nach dem Ende der Ausgrabungen beginnen jetzt die Bauarbeiten für den neuen Sitz der Unternehmensgruppe Jacoby, wobei die ältere Bausubstanz des Klosters, seiner Kirche und der Klausurgebäude mit Kreuzgang erhalten bleibt.