"Der Eingriff in den Boden erbrachte schon einige Befunde, zum Beispiel die Reste zweier rechteckige Keller aus Bruchstein", so LWL-Stadtarchäologin Dr. Sveva Gai. Der historische Kern von Schloss Neuhaus wurde bisher zwar historisch genauer unter die Lupe genommen, nicht aber archäologisch. Dies änderte sich mit Beginn der Arbeiten vor einigen Wochen.
Dank den Forschungen von Michael Pavlicic, langjähriger Vorsitzender des Heimatvereins und stellvertretender Präsident der LWL-Landschaftsversammlung, ist bereits einiges über die Geschichte des Grundstücks bekannt. Vor dessen Verkauf an die Pfarrgemeinde 1950 durch die Voreigentümer stand hier seit 1681 ein Fachwerkhaus. Das Bauernhaus hatte, für seine Zeit typisch, einen mittleren Torbogen und zwei seitliche Vorbauten.
"Es ähnelte in seiner Architektur dem Paderborner Rathaus und war sicher eines der schönsten Wohnhäuser hier. Die Bauart zeigte die gehobene soziale Stellung der Erbauer", so Grabungsleiter Till Lodemann.
Alte Abrechnungen bezeugen, dass Christoph Jürgens das Haus errichtete. Er war später Bürgermeister des damals noch nicht zu Paderborn gehörigen Ort Schloss Neuhaus. Bis 1800 blieb das Haus im Besitz seiner Familie. Durch Heirat gelangte der Grund schließlich an die Familie Waldeyer aus Lichtenau. Bis 1812 war Johann Gottschalk Waldmeyer Friedensrichter in Schloss Neuhaus während der französischen Besatzung, zuvor stand er im Verwaltungsdienst des Bischofs.
Die beiden entdeckten neuzeitlichen Bruchsteinkeller waren beide über eine Zugangstreppe zu erreichen, der eine von Westen, der andere von Süden. "Der westliche Keller besitzt eine kleine quadratische Wandnische: sie war zum Abstellen einer Kerze oder zum Anbringen eines Kienspans gedacht", zeichnet Lodemann ein genaueres Bild.
Im Westen des Areals stießen die Archäologinnen auf zahlreiche Bau- und Siedlungsreste aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit. Darunter befanden sich auch schmale Bruchsteinfundamente, auf denen üblicherweise sogenannte Fachwerkschwellen oder Schwellbalken lagen. Diese durchlaufenden Holzbalken gründen die Wände von Fachwerkhäusern. Eine quadratisch gemauerte Struktur im Inneren verweist auf eine Latrine, die vielleicht noch im 20. Jahrhundert benutzt wurde. Das verraten entsprechende Funde von Keramik in der Verfüllung der Grube.
Das ehemalige stille Örtchen grenzt an den Stumpf einer in Lehm gesetzten Kalksteinmauer, die etwa 1 Meter dick war. "Die Machart der Mauer verrät uns, dass sie im Mittelalter errichtet worden ist. Das lässt vermuten, dass sich an dieser Stelle bereits vor dem neuzeitlichen Bauernhaus von 1681 ein Bauwerk befunden hat", erklärt Gai. Die Stadtarchäologin vermutet, dass es sich hierbei um einen sogenannten Burgmannshof gehandelt haben könnte: Eine Unterkunft für sozial höher gestellte Menschen im Dienst des Bischofs. Zudem finde man diese Art der Kalkbruchsteinmauern sonst eher in der Paderborner Altstadt. Die Bauweise und Qualität lässt für die Archäologin auf den hohen finanziellen Aufwand schließen, der beim Bau betrieben wurde.
In der südlichen Hälfte des Grundstücks stießen die Archäologen auf eine dicke Schicht fruchtbaren, dunklen Bodens, der einmal Gartenboden war. Der Boden ist bis zur Errichtung des Gebäudes dank guten Düngens und Durchmischens über einen Meter tief gewachsen. Aufgrund der steten Bearbeitung des Bodens sind hier keine Anzeichen mehr sehen, die auf vergangene Mauern schließen lassen würden.
Grabungsleiter Lodemann erklärt, weshalb die Stelle dennoch spannend ist: "Wir stießen hier auf eine große Menge an Scherben. Anhand der Verzierung und Machart der Keramikstücke können wir sagen, dass hier wohl bereits in den ersten Jahrhunderten nach Christus Menschen gesiedelt haben." Die Scherben stellen die mit Abstand ältesten Siedlungszeugnisse im Ortskern von Schloss Neuhaus dar, so Lodemann weiter.
Die Befunde an der Neuhäuser Kirchstraße werden die Experten noch eine Weile beschäftigen. Im Anschluss an die derzeit laufendenden Arbeiten wird zudem der Abriss der noch übrig gebliebenen Kellersohle des abgerissenen alten Pfarrhauses archäologisch begleitet werden. "Allerdings bleibt eine genaue Terminierung schwierig, da das Wetter zunehmend unbeständiger werden wird und wir jederzeit auf weitere Befunde stoßen könnten, die das Fortkommen weiter verlangsamen", sagt Gai. Da die Bauarbeiten am neuen Gebäude erst im kommenden März beginnen, ist die Stadtarchäologin allerdings sicher, den Baurbeiten nicht in die Quere zu kommen.