Forschung und Lehre in den Altertumswissenschaften an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) werden nachhaltig gestärkt: Der Lehrstuhl für Altorientalistik hat im Rahmen seiner strategischen Weiterentwicklung Mittel für zwei neue Stellen eingeworben, die beide seit Herbst 2021 besetzt sind.
Dr. Elisa Roßberger wurde auf eine Juniorprofessur für Digital Humanities für Vorderasiatische Archäologie und Altorientalistik berufen, Dr. Martin Gruber auf eine Juniorprofessur für Vorderasiatische Archäologie. Beide erforschen die Zeugnisse alter Kulturen in einem Gebiet, das von der heutigen Westtürkei bis nach Afghanistan und vom Kaukasus bis auf die Arabische Halbinsel reicht. Diese Kulturen haben – von den prähistorischen Epochen bis in die Spätantike – die Menschheitsgeschichte in vieler Hinsicht geprägt.
Elisa Roßberger will rund 25.000 Siegel und ihre Abrollungen auf Ton – bestehend aus Bildern und Keilschriftinschriften – mit digitalen Methoden erschließen. Dazu werden zweidimensionale Scans und Zeichnungen mit Spezialsoftware und Methoden des Maschinellen Lernens bearbeitet: Per Computer sollen Bilder und Textelemente in den Scans automatisch erkannt und mit Auszeichnungen zu ihren Inhalten (Annotationen) versehen werden. Dieses Vorgehen spart viel Zeit, aber ohne manuelle Kontrolle durch Spezialistinnen und Spezialisten geht es nicht. Ein Ziel dieser Arbeit ist es, Interaktions-Netzwerke zwischen Menschen, Bildern und Dingen aufzuspüren: Welche Menschen benutzten welche Siegelmotive, wie waren sie untereinander verbunden? Am Ende des Projekts, im Herbst 2023, soll eine öffentlich zugängliche Online-Plattform stehen, die der Fachcommunity und der interessierten Öffentlichkeit vielfältige Möglichkeiten zur Erkundung antiker Quellen bietet und als Basis für weitere interdisziplinäre Forschungen dient.
Die bisherigen Feldforschungen in Hattuscha wird Martin Gruber an der JMU weiterführen. Ab Sommer 2022 übernimmt er eine Teilgrabung an einem der westlichen Stadttore. "Geophysikalische Messungen haben gezeigt, dass dort Überreste von Gebäuden vorhanden sein müssen", sagt der Forscher. Als Grenze zwischen Stadt und Umgebung sei das Umfeld von Stadttoren archäologisch besonders interessant.
Ein weiteres Projekt von ihm ist im Kaukasus angesiedelt. Mit Förderung durch die Gerda-Henkel-Stiftung erforscht er seit 2020 in Aserbaidschan die Überreste einer fast vergessenen Kultur, die rund 3000 Jahre alt ist. Entdeckt wurde sie bereits im 19. Jahrhundert, als im Zuge von dort begonnenen Bergbauarbeiten des Unternehmens Siemens auch erste archäologische Untersuchungen durchgeführt wurden. Man legte zahlreiche Gräber frei und fand unter anderem reiche Bronzebeigaben und Keramikgefäße, mitunter auch große Grabhügel mit Wagen- und Pferdebestattungen. "Bis heute ist wenig über diese Kultur bekannt“, so Martin Gruber. Viele Funde liegen in aserbaidschanischen Archiven und Museen, sind aber oft nicht wissenschaftlich bearbeitet. Sein nunmehr auch an der JMU angesiedeltes Projekt startet darum mit Recherchen in Museen. Später sollen Feldforschungen dazukommen.