"Einige Baumreste könnten ursprünglich als Uferbefestigung gezielt an den Flussrand gebracht worden sein", erklärt Dr. Bettina Tremmel, LWL-Expertin für provinzialrömische Archäologie. Tremmel schickte einige Baumscheiben zur dendrochronologischen Untersuchung an die Universität zu Köln. Fachleute dort datieren das Holz mit Hilfe der Jahresringe ins frühe Mittelalter. Tremmel: "Die Bäume wurden demnach vor etwa 1.300 bis 1.500 Jahren gefällt oder könnten zum Beispiel bei einem Hochwasserereignis in den Fluss gefallen sein."
Die Hölzer sind unbearbeitet, so dass nur ein exemplarischer Teil vom LWL aufbewahrt werden muss. "Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, sie im Sinne der Nachhaltigkeit einer Möbelmanufaktur zur Verfügung zu stellen.", erläutert Tremmel. Ulrich Wiemann aus Havixbeck (Kreis Coesfeld) plant, aus dem Rohstoff Möbel und Skulpturen herzustellen.
Da die Lippe für die Römer ein wichtiger Transportweg war, rief die Baumaßnahme der Stadt Haltern am See die Expertin der LWL-Archäologie für Westfalen. "Für den Truppennachschub mussten tausende Tonnen Lebensmittel zu den Römerlagern entlang der Lippe geliefert werden. Das konnte nur mit Schiffen gelingen, die einen geringen Tiefgang hatten. Wir Archäolog:innen versuchen, den Lippelauf in Haltern am See vor 2.000 Jahren zu rekonstruieren, um den Transportwegen der Römer bei uns in Westfalen auf die Spur zu kommen", so die Römer-Expertin.
In der Hunderte Meter breiten Flussaue zwischen der Hohen Mark und der Haard, wo 2022 und 2023 das Regenrückhaltebecken "Im Broock" entstanden ist, hatte die Lippe schon vor 2.000 Jahren viel Platz, um sich auszubreiten. "Mit jedem Hochwasser, so wie wir es auch in den vergangenen Wochen erlebt haben, konnte sich die Lippe schon damals mit Hilfe ihrer Seitenarme einen neuen Weg bahnen", erklärt Tremmel. Entsprechend vielversprechend war die Baumaßnahme für die LWL-Fachleute.
Beim Bau des vier Meter tiefen Regenrückhaltebeckens durch die Stadt wurde eine 1.000 Quadratmeter große Baugrube ausgehoben. Diese Erdmasse lieferte den LWL-Archäologinnen und Archäologen wichtige Hinweise. "Genau an dieser Stelle verlief im Frühmittelalter ein Lippearm, der heute nicht mehr zu erkennen ist. Dieser hatte zur damaligen Zeit mit beständiger Erosionskraft die Ufer abgetragen", berichtet Stefan Ullrich, der als studentischer Volontär die Grabung begleitet hat. Tremmel: "Keramikscherben, welche die Römer vor 2.000 Jahren dort wohl einfach entsorgt hatten, fielen ins Wasser. Aber auch Scherben eines frühmittelalterlichen Topfes lagen dazwischen." Während Boden und Sand vom Wasser abtransportiert worden sind, blieben Scherben und größere Steine im Lippebett liegen. Im Laufe von Jahrhunderten wurden aber auch sie wieder von den Lippesanden überdeckt.
Auch der Großteil der geborgenen Bäume und Äste lag auf dieser Sohle. Das sind exakt die Baumstämme, die das Team des LWL Ende des vergangenen Jahres geborgen haben. Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen: "Die Schnittreste aber sind archäologisch nicht weiter relevant. Wir freuen uns, dass sie nun eine sinnvolle Verwendung finden und wir sie wieder der Kreislaufwirtschaft zuführen."