Das Projekt ist im September gestartet, hat eine Laufzeit von drei Jahren und wird mit einer halben Million Euro von der DFG finanziert. Dabei kooperiert ein Team um Prof. Dr. Doris Prechel, Professorin für Altorientalische Philologie am Institut für Altertumswissenschaften der JGU, eng mit einem Team um Prof. Dr. Kai-Christian Bruhn, Professor am Institut für Raumbezogene Informations- und Messtechnik (i3mainz) der Hochschule Mainz und Direktor des Mainzer Zentrums für Digitalität in den Geistes- und Kulturwissenschaften (mainzed). »Bei der Keilschrift handelt es sich um ein hochkomplexes Schriftsystem, das in all seinen Varianten insgesamt mehr als zehntausend Zeichen aufweist«, sagt Doris Prechel. »Eine Automatisierung des Lesens dieser Schrift steht noch aus.«
In dem Projekt geht es zunächst darum, rund 500 Originaltexte zu transkribieren, mit wissenschaftlichen Anmerkungen zu versehen und so aufzubereiten, dass sie der Wissenschaftsgemeinde über das Internet zur Verfügung gestellt werden können. Dafür benutzen die Mainzer Forscherinnen und Forscher digitale Aufnahmen der Tontafeln, die in einem vorherigen Projekt mit Hilfe von 3D-Scannern erstellt worden waren. »Mit dem aktuellen Projekt wollen wir auch bereits laufende Vorhaben zur Auswertung solcher 3D-Modelle mit qualitativ hochwertigen Daten versorgen«, sagt Kai-Christian Bruhn. »Und wir wollen gewährleisten, dass die von uns erzeugten Daten problemlos in bestehende oder im Aufbau befindliche Keilschriftportale eingebunden werden können, zum Beispiel in die Cuneiform Digital Library Initiative der University of California in Los Angeles.« Schließlich soll auch die digitale linguistische Erschließung der Keilschrift angegangen werden: »Gegen Ende des Projekts wollen wir Daten erzeugt haben, die eine Reihe sprach- und schriftwissenschaftlicher Fragestellungen beantworten können. Dabei geht es etwa auch darum, zu erkennen, wie viel für eine automatische Übersetzung von Keilschrifttexten noch zu tun ist«, sagt Bruhn. Er und Prechel arbeiten seit einigen Jahren in verschiedenen Verbundinitiativen zusammen, die von der Hochschule Mainz und der JGU mitgetragen werden. Neben dem Engagement im »Verbund Archäologie Rhein-Main« (VARM) und »Digital Humanities im RMU-Verbund« (DH-RMU) sind sie über das mainzed verbunden und lehren unter anderem im hochschulübergreifenden Master-Studiengang »Digitale Methodik in den Geistes- und Kulturwissenschaften«.
In dem Vorläuferprojekt, in dem mit Hilfe von 3D-Scannern digitale Aufnahmen der Keilschrifttexte erstellt worden waren, hatte Doris Prechel mit dem Kernphysiker Prof. Dr. Frank Maas, Direktor des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM), zusammengearbeitet. Auf die Idee zu dieser Kooperation waren die beiden durch ihre gemeinsame Tätigkeit im Leitungsgremium des Gutenberg Forschungskollegs (GFK), der zentralen Einrichtung zur Förderung der Spitzenforschung an der JGU, gekommen. »Das hat sich durch Gespräche auf gemeinsamen Veranstaltungen ergeben«, sagt Prechel. »Wenn man sechs Jahre lang in einem Gremium zusammenarbeitet, lernt man auch Kollegen aus weit entfernten Disziplinen kennen.« Sie und Maas planen, in Folgeprojekten nicht nur die Texte aus Haft Tappeh, sondern ganze archäologische Objektsammlungen und dabei zum Beispiel auch Reste von Gefäßen zu digitalisieren. Außerdem sind Kooperationsprojekte der Altorientalischen Philologie der JGU mit dem HIM und dem i3mainz zur gezielten Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses angedacht.