Waren die Wandputzreste einst als heiliges Bildnis unter dem Kirchenboden bestattet worden, oder dienten sie nur als Füllmaterial? Was auch die Hintergründe sind – rechtzeitig zu Ostern erwacht der "Christus" von St. Peter in Straubing zwar nicht zu neuem Leben, doch zeigt er sich nach vielen Jahrhunderten der Abwesenheit, aufwändig restauriert, erstmals wieder der Öffentlichkeit. In der Nähe seines ursprünglichen Standorts, der romanischen Basilika St. Peter, wird das Wandbildfragment nun als Dauerleihgabe im Gäubodenmuseum zu sehen sein.
1974 hatten Archäologen bei einer Grabung im südlichen Bereich des Mittelschiffs von St. Peter, etwa einen halben Meter unter dem frühromanischen Fußbodenbelag, isoliert in einer Schuttlinse, kleine Putzstücke mit anhaftender Malerei entdeckt. Noch vor Ort setzten die Archäologen ein Drittel der Bruchstücke provisorisch zusammen. Dann wurde der Fund in die Werkstätten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) nach München gebracht, wo sich ein Restauratoren-Team in akribischer Kleinstarbeit in den 1990er Jahren mit allen Bruchteilen befasste. Nach und nach zahlte sich die mühevolle Puzzle-Arbeit aus, denn immer deutlicher offenbarte sich nach der Zusammensetzung von 92 Teilen ein lebensgroßer Männerkopf mit Heiligenschein.
Nicht alle Fragen um die Darstellung sind bislang geklärt. Eine Datierung der Secco-Wandmalerei in einen Zeitraum zwischen dem zweiten Viertel des 11. Jahrhunderts und dem Jahr 1180 ist wahrscheinlich. Ob es sich um eine Christus- oder Heiligen-Darstellung handelt, muss offenbleiben, auch, was es mit der besonderen Fundsituation auf sich hat.
"Das Wandbild-Fragment aus St. Peter, das vermutlich einen Christus darstellt, ist ein faszinierendes Kuriosum. Die besondere Fundsituation, die möglicherweise auf eine pietätvolle 'Bestattung' eines abgenommenen Heiligenbildes hindeutet, ist berührend und spiegelt eine tiefe Religiosität wider. Ich freue mich ganz besonders, dass diese Wandmalerei, die trotz ihrer Unvollständigkeit eine besondere Strahlkraft besitzt, nun nach Straubing zurückkehrt", erläutert Prof. Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil, Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.
Dass die Scherbensammlung isoliert von ihrer Umgebung im Fußboden von St. Peter vorgefunden wurde, lässt die These zu, dass das Bildnis absichtlich niedergelegt, gar bestattet worden war – eine besondere Praxis vom Spätmittelalter bis in die Barockzeit, liturgisch bedeutende Kunstwerke zu "entsorgen", sozusagen als deponia pia, als "heiligen Müll". Eine andere These vertritt die Meinung, dass der abgenommene Putz schon viel früher im Zuge der Umbaumaßnahmen um 1180 schlichtweg zur Bodenverfüllung verwendet wurde. Die genauen Umstände, wie der Kopfausschnitt eines Wandbildes unter den Kirchenboden gelangte, werden wohl ein Geheimnis bleiben.
Eine Wandmalerei dieser Zeitstellung, losgelöst von der Wand und ihrem Kontext, ist extrem selten. Viele Jahre war das Fragment, das eine bewegte Geschichte zu erzählen hat, daher ein geschätztes Anschauungsobjekt für den Restauratoren-Nachwuchs am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege.