Die diesjährige Kampagne der Forschungs- und Lehrgrabung für den Dessauer Aufbaustudiengang Denkmalpflege im Klosterkomplex von Memleben fand vom 29.07. und 16.08.2019 statt. Es handelt sich um ein Kooperationsprojekt der Stiftung Kloster und Kaiserpfalz Memleben mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Hochschule Anhalt/Dessau. Zum Vorschein kam ein verfüllter Fundamentgraben des ottonenzeitlichen Klosterkomplexes. Im Zusammenhang mit den von mächtigen Schuttplanierungen überlagerten Befunden wurden auch markante Spolien, Gewändesteine und ein Altarweihestein des ausgehenden 11. Jahrhundert entdeckt. Diese Funde und Befunde erweitern den bisherigen Kenntnisstand hinsichtlich des Kirchenbaus und der Klostergeschichte ganz wesentlich.
Die Ruine der Klosterkirche St. Maria in Memleben und die mit attraktiven Ausstellungen bespielte, ehemalige Benediktiner-Klausur locken als zentraler Bestandteil der Mitteldeutschen Klosterlandschaft zahlreiche Besucher an die Unstrut. Hier lässt sich erfahren, in welch komplexes Netzwerk geistlicher wie weltlicher Macht das Kloster eingebunden war und welche Kernaufgaben ihm oblagen. Die Geschichte des von markanten Boden- und Baudenkmälern umgebenen Ortes war ab dem 10. und 11. Jahrhundert zudem aufs engste mit den ottonischen Herrschern verknüpft. Memleben war Sterbeort sowohl König Heinrichs I. (circa 876–936), als auch seines Sohnes Kaiser Ottos I. (912–973). Wohl zum Gedenken an seinen Vater stiftete Kaiser Otto II. (955–953) das große Benediktinerkloster. Davon sind die südliche Langhauswand, das südwestliche Querhaus und Reste des südwestlichen Vierungspfeilers sowie der Fundamentumriss der Kirche heute noch zu sehen. Außer diesen Teilen des einst monumentalen, in seinen Ausmaßen dem ersten Magdeburger Dom entsprechenden, Kirchenbaus sind jedoch keine obertägigen Reste der ottonischen Bauten erhalten geblieben. Das Kooperationsprojekt widmet sich deshalb der archäologischen Erforschung dieser geschichtsträchtigen Anlage. In diesem Jahr wurde zwischen 29.07. und 16.08.2019 die, bereits 2017, begonnene Forschungs- und Lehrgrabung für den Dessauer Aufbaustudiengang Denkmalpflege fortgesetzt (Projektleitung: Prof. Dr. Leonhard Helten, Grabungsleitung: Dr. phil. Holger Grönwald M.A.).
Der Grabungsort liegt im nördlichen Bereich der Kirche des 10. Jahrhunderts und westlich der an der Klosterkirche des 13. Jahrhunderts anbindenden Klausur. Er umfasste eine Fläche von 5,5 x 9,5 Metern und wurde durch Grabungschnitte an den Scheunenfundamenten sowie eine flächige Erweiterung um 2 Meter nach Norden ergänzt. Diese Auswahl zielte auf eventuelle Klausurreste einer Vorgängeranlage ab. Zudem berücksichtigte sie in gleicher Weise die zu erwartenden Spuren des Hochmittelalters und der Frühen Neuzeit.
Die mehrfach erneuerte Scheune nimmt in bemerkenswerter Weise die Flucht der älteren Klosterkirche auf. Es war hier davon auszugehen, dass Vorgängerbauten, wie eine Zehnt-scheune, den Ereignissen des Bauernkriegs im Jahr 1525 zum Opfer fielen. Entsprechende Fundamentzüge konnten bereits im Vorjahr erschlossen werden, ebenso eine überbaute Mauer des 14. Jahrhundert. An Stelle von Klausurgebäuden des ausgehenden Frühmittelalters wurden hier jedoch Reste der bislang unbekannten Wirtschaftsgebäude des spätmittelalterlichen Klosters angetroffen. Diese Reste gehörten zur Küche, die mit einer Holzvertäfelung der Außenwand und einem Kalkanstrich ausgestattet war.
Die aktuellen Untersuchungen erweiterten gezielt die Kenntnisse zum Bestand, der Einbettung in weitere Baukörper und deren zeitlicher Gliederung. Es war darüber hinaus möglich eine im Negativ erhaltene Struktur zu erschließen, die vermutlich Bestandteil des ottonenzeitlichen Klosterkomplexes war. Es handelt sich hierbei um eine in jüngerer Zeit wiederverfüllte, der Fundamentsteine beraubten Baugrube.
Für die Ausgangsfrage nach der frühen Phase der Klosteranlage sind diese kleinräumig erfassten, von mächtigen Schuttplanierungen überlagerten Befunde, außerordentlich informativ. Nicht zuletzt, weil in diesem Zusammenhang markante Spolien, wie Gewändesteine und ein Altarweihestein des ausgehenden 11. Jahrhundert zu Tage kamen. Durch diese Funde wird unser Kenntnisstand hinsichtlich des Kirchenbaus und der Klostergeschichte wesentlich erweitert.
Weitere Funde umfassen eine Kupfermünze sowie einen menschlichen Fingerknochen und einen Zahn. Die menschlichen Überreste belegen indirekt später umgebettete Bestattungen im Kreuzgangbereich und -garten. Überraschend war die Vergesellschaftung mit umgelagerten, frühneolithischen Funden aus der Zeit der Stichbandkeramik (circa 4.900 – 4.600 v. Chr.). Daneben fanden sich auch ein Spitzgraben und Siedlungsreste der gleichen Zeitstellung. Sie belegen die Wertschätzung der naturräumlich begünstigten, von fruchtbarem Löss geprägten Niederungslage mit Gewässeranbindung als Siedlungsstandort, der über fast 7.000 Jahre immer wieder aufgesucht wurde.
Eine Erweiterung der Untersuchungsfläche in den nächsten Jahren ist geplant und lässt weitere spannende Ergebnisse erwarten, die sowohl die Gründungsphase und Entwicklung des Klosters/Klostergutes, als auch die Vorbesiedlung betreffen.