Die Fachleute der Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) konnten bislang über 200 Schadensfälle an Bodendenkmälern feststellen, die endgültige Zahl wird deutlich höher sein. Nicht abzuschätzen sei, wie viele bisher unentdeckte archäologische Fundstellen darüber hinaus vollständig verloren gingen. Neue Handlungsempfehlungen sollen bei der Instandsetzung helfen und zukünftige Schäden möglichst verhindern.
Massive Schäden am archäologischen Erbe
Die betroffenen Kommunen und das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland sowie die LWL-Archäologie für Westfalen haben seit 2021 die Flutgebiete mit Unterstützung des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen untersucht und die Schäden erfasst.
»Als die Begehungen starteten, war von Anfang an klar, dass große Schäden zu erwarten sind«, so Dr. Erich Claßen, rheinischer Landesarchäologe und Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege. »Unsere Befürchtungen haben sich leider bewahrheitet und wir müssen heute feststellen, dass sich die Jahrhundertkatastrophe teils auch massiv auf das archäologische Erbe ausgewirkt hat.«
Die finanzielle Unterstützung des Ministeriums ermöglichte es LWL und LVR, ihr Personal ein Jahr lang aufzustocken, sodass eigenständige Arbeitsgruppen aus Archäologinnen und Archäologen gebildet werden konnten, die systematisch die rheinischen und westfälischen Schadensgebiete untersuchten.
Regionale Unterschiede
Rund 750 Fundstellen wurden im Gelände aufgesucht und auf Schäden kontrolliert. Dabei zeigten sich regionalspezifische Unterschiede: Das westfälische Schadensgebiet mit steilen und engen Tälern liegt hauptsächlich in den oberen Talabschnitten der Nebenflüsse von Lenne, Ennepe und Ruhr. Vor allem zwischen Hagen und Nachrodt-Wiblingwerde spülten die Wassermassen die Täler durch und vertieften sie bis zu sechs Metern und begruben die Unterhanglagen unter Schuttmassen.
»Die Ausspülungen sind gerade im märkischen Sauerland so verheerend, weil sich entlang der Bäche eine der bedeutendsten mittelalterlichen Montanlandschaften Deutschlands befindet«, erläutert Prof. Dr. Michael Rind, Chefarchäologe des LWL und ergänzt: »Im Mittelalter suchten die Handwerker die Nähe der Bäche auf, verhütteten dort Eisenerz und produzierten Holzkohle in Meilern. Jetzt sind viele dieser Fundstellen angeschnitten, zugeschüttet oder vollständig weggespült.«
Im rheinischen Flutschadensgebiet waren das Bergische Land und die Eifel, aber auch das offene Eifelvorland schwer betroffen. Hangwasser sowie Erosion in Uferbereichen und in lockeren Löss- und Sandböden stellten eine Gefahr dar. Die Untersuchungen zeigen, dass vor allem Bodendenkmäler der vergangenen zwei Jahrtausende beschädigt wurden.
Die Flut unterspülte die Fundamente von römischen Bauten, wie zum Beispiel bei der bekannten Eifelwasserleitung. Sie durchbrach Wälle und Wehre der zahlreichen mittelalterlichen bis neuzeitlichen Mühlen und Hämmer. Außerdem trug sie vereinzelt Abschnitte der historischen Wegenetze ab und traf nicht zuletzt auch Relikte des Zweiten Weltkriegs, wie Bunker, Brücken und Höckerlinien des Westwalls.
Handlungsempfehlungen und Fördermittel
Die ermittelte Sachlage erfordert angepasste Handlungsempfehlungen und ein hohes Maß an individueller fachlicher Beratung bei der Instandsetzung sowie dem langfristigen Schutz der betroffenen Bodendenkmäler vor weiteren Flutkatastrophen.
Die Landschaftsverbände haben für die am stärksten betroffenen Kommunen Berichte verfasst, die detailliert die Schäden beschreiben und so den Unteren Denkmalbehörden erstmals ein Schadenskataster der Bodendenkmäler zur Verfügung stellen.
»Ein wichtiger Bestandteil dieser Berichte sind Handlungsempfehlungen zum zukünftigen Umgang mit den beschädigten Fundstellen und für den denkmalgerechten Hochwasserschutz. Bei den umfangreichen Begehungen stellte sich zum Beispiel heraus, dass Kahlschläge und das Entsorgen von Forstabfällen in die Täler die Auswirkungen der Flut jeweils massiv steigerten«, betont Rind.
Viele geschädigte Bodendenkmäler müssen nun konserviert werden, was zum Teil begonnen hat. »Die archäologischen Fachämter stehen den betroffenen Kommunen beratend zur Seite«, erklärt Claßen und führt weiter aus: »Dass das Ministerium die Antragsfrist für Fördermittel zur Bewältigung der Flutkatastrophe bis Ende Juni 2026 verlängert hat, ist eine wichtige Unterstützung, die, nach Beseitigung der für die Menschen wesentlichen Schäden, für Erhaltungsmaßnahmen an Bodendenkmälern genutzt werden sollte.«