"Rund 400 archäologische Maßnahmen gab es 2012, obwohl die Zahl der Firmengrabungen um ein Viertel auf rund 160 zurückgegangen ist. Ferner laufen etwa 50 Forschungsarbeiten zu rheinischen Themen", so Prof. Dr. Jürgen Kunow, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland, der betont, "dass leider nur ein Ausschnitt dieser Fülle an Untersuchungen im Rahmen der Tagung vorgestellt werden kann."
Unaufhaltbar naht die Schließung der letzten Bergwerke im Steinkohlenrevier. Für die paläontologische Bodendenkmalpflege gilt es nun, die wenigen noch zugänglichen Aufschlüsse mit Fossilien, so bei Kamp-Lintfort, zu sichern. Berühmt ist das Oberkarbon des Ruhrgebiets für seine vollständigen Pflanzenfunde. Dank moderner Laborverfahren gelang es jetzt, Skorpion- und Spinnenreste aus dem Gestein zu isolieren. Diese zeigen, dass die bodenbewohnende Tierwelt in unserer Region vor 315 Millionen Jahren viel reichhaltiger war als bisher vermutet.
Ungeahnt dicht lagen die Siedlungsstellen der altsteinzeitlichen Jäger und Sammler im Inde- und Rurtal (Tagebau Inden). Mit bislang 28 saisonal aufgesuchten Plätzen liegt im hiesigen Gebiet eine einzigartige Siedlungskammer der Zeit um 100.000 bis 80.000 bzw. 15.500 bis 11.500 vor heute vor. Sie geben neue Einblicke in das Wander- und Jagdverhalten, die Werkzeugherstellung, aber auch das Kunstschaffen dieser Menschen. So zählt eine 13.000 bis 15.000 Jahre alte Schieferplatte mit Ritzungen aus dem Rurtal zur ältesten Kunst im Rheinland überhaupt.
"Umwerfend" – im wahrsten Sinn des Wortes – ist das Inventar eines eisenzeitlichen Grabes des 3. bis 1. Jahrhunderts v. Chr. aus dem Indetal. Es enthielt 26 Schleuderkugeln aus gebranntem Ton, alle ähnlich groß und schwer, um bei Jagd oder Kampf ein hohes Maß an Treffsicherheit zu gewährleisten. Neben dem wohl berühmtesten Kampf mit einer Schleuder – jenem des David gegen Goliath aus der Bibel – kennen wir auch einen Bericht Cäsars: Er beschreibt den Einsatz dieser Waffe beim Angriff des gegen die Römer siegreichen Kelten Ambiorix.
Unbekannt war bis 2012 eines der besterhaltenen römischen Manövergebiete überhaupt. Mithilfe der Airborne–Laserscan–Technologie gelang die sensationelle Entdeckung von 16 römischen Übungslagern im Kottenforst bei Bonn. Im hochauflösenden digitalen Geländemodell sind für die meist ein Hektar großen Lager sogar spezielle Torformen (claviculae) zu erkennen, wie sie die römische Armee im Ernstfall nur für Marschlager und Belagerungswerke benutzte.
Unerwartet konnten bei Ausgrabungen in Bonn gut erhaltene römische Gebäudereste freigelegt werden. So stieß man im Legionslager in der Nordstadt auf ein beheizbares Truppenbad und in der Zivilsiedlung an der Adenauerallee auf zwei Keller, die vermutlich zu einer römischen Bauerei gehörten.
Unverhofft fand sich bei einer Begehung am Niederrhein eine prägefrische Goldmünze Constantin des Großen. Der 335 in Trier geprägte solidus mit dem Porträt des Kaisers auf der Vorder- und dem Kriegsgott Mars auf der Rückseite war als Münztyp bisher unbekannt.
"Ungedeutet ist bislang die Funktion eines rätselhaften Großbaus, der bei Ausgrabungen im LVR-Archäologischen Park Xanten zutage trat. Völlig überraschend waren die Archäologinnen und Archäologen auf dessen Überreste in einem Wohnviertel am Rande der römischen Stadt gestoßen", so Dr. Martin Müller, Leiter des LVR-Archäologischen Parks Xanten. Weitere Untersuchungen und Forschungen belegen die bunte Fülle des Marmors, mit dem die Römer ihre prachtvollen öffentlichen Gebäude in der Colonia Ulpia Traiana schmückten, und zeigen die vielfältige Verwendung von Knochenschnitzereien für Alltagsgegenstände aller Art auf.
Unwiederbringliche Einblicke in die Geschichte Kölns boten die vielen Rettungsgrabungen, auf denen das Römisch-Germanische Museum (RGM) 2012 im Einsatz war. "In Bayenthal kamen vor den Toren des antiken Flottenkastells Alteburg Teile des Lagerdorfes und römische Bestattungen ans Tageslicht, darunter das Grab eines Arztes", berichtet Dr. Marcus Trier, Direktor des RGM. Am Weichserhof (südliche Rheinstadt) konnte die bislang weitgehend unerforschte Stadtfestung von 1106 umfassend dokumentiert werden. Überraschendes, ja Kurioses lieferten die Ausgrabungen an der Kölner Oper: So hatte ein "Langfinger" ein Konvolut Taschenuhren in einer Zisterne deponiert. Einen Höhepunkt in der Arbeit des RGM markierte die Eröffnung der Sonderausstellung "Zeit-Tunnel. 2000 Jahre Köln im Spiegel der U-Bahn-Archäologie". Bis Mai 2013 sind die ausgewählten Objekte aus den insgesamt 2,5 Millionen Funden der U-Bahn-Grabung noch zu sehen.
Ungewöhnlich war der Befund einer "Ökotonne" in Rheinbach aus der Zeit um 600. Umweltverträglich hatten die frühmittelalterlichen Siedler einen Sack mit Ernte- und Gartenabfällen in einem Schacht entsorgt, in dem sie eigentlich Mergel, Sand oder Ton zu finden hofften. Unter Luftabschluss haben sich darin beispielsweise Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel und Lein erhalten. Dieser Befund öffnet damit ein Fenster in eine archäobotanisch nahezu unerforschte Periode.
Unbeachtet blieben bis vor Kurzem die zahlreichen Relikte des Kalten Krieges im Rheinland. Diese militärischen Hinterlassenschaften – wie Stellungen von Nike-Flugabwehrraketen, Munitionsdepots und Feuerleitstellen – zählen wie jene des Ersten und Zweiten Weltkriegs auch zum Denkmal- und Bodendenkmalbestand. Fast 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges werden diese archäologisch jungen Zeitzeugnisse vom LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland nun systematisch erforscht.