Zahlreiche Städte und Dörfer und eine intensive Landwirtschaft kennzeichnen heute die Nildeltaregion im Norden Ägyptens. Von den Siedlungen, Bauwerken und Tempeln aus pharaonischer Zeit haben sich nur an wenigen Orten Reste erhalten. Doch der Verlauf der Nilarme kann Archäologen Informationen liefern, wo sich die historischen Stätten einst befunden haben. Denn damals wie heute hängt das Leben in Ägypten von den Wassern des Nils ab. Auch im wasserreichen Flussdelta waren Siedlungen schon immer eng mit den verschiedenen Nilarmen und Wasserstraßen verbunden. Die Wasserläufe dienten als Verkehrsnetz, zur Bewässerung der Felder und zur Versorgung für Mensch und Tier. Allerdings haben sie sich im Laufe der Jahrtausende stark verändert und verschoben.
Ein Team des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo versucht, die antiken Wasserverläufe zu rekonstruieren. Mithilfe von historischem Kartenmaterial, archäologischen Surveys und Bodenbohrungen sind die Archäologen der antiken Landschaft auf der Spur. Doch bisher ohne Erfolg. Erst eine Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die Auswertung der TanDEM-X Daten brachten jetzt den Durchbruch. Die Zwillingssatelliten TanDEM-X kreisen seit 2010 mit dem Ziel im All, ein hochgenaues, dreidimensionales Abbild unserer Erde zu erstellen. Aus 500 Kilometer Höhe tasten sie dazu die Erdoberfläche mit Radargeräten ab. So auch das ägyptische Nildelta.Mit den gewonnen Daten und der Fachexpertise der Archäologen konnte nun ein präzises digitales Höhenmodell erstellt werden, das überraschend neue Erkenntnisse liefert: Das Untersuchungsgebiet wurde nicht, wie bisher vermutet, von einem mächtigen Nilarm durchzogen, sondern ist durch fein verästelte kleine Wasserarme gekennzeichnet. Durch die jährliche Nilflut haben sich im Laufe der Zeit Uferwälle entlang dieser Wasserarme gebildet. Das Höhenmodell zeigt diese teils minimalen Höhenunterschiede sehr deutlich und erlaubt erstmals eine gesicherte Rekonstruktion der antiken Wasser- und Siedlungslandschaft entlang der Uferwälle. Um die Vorzüge der Wasserstraßen zu nutzen, aber gleichzeitig nicht von der jährlichen Nilflut gefährdet zu sein, befanden sich die pharaonenzeitlichen Dörfer wohl genau auf diesen Erhöhungen und können jetzt leichter lokalisiert werden.
Aus den mithilfe von Satellitentechnik gewonnenen Ergebnissen ergeben sich nun neue Fragen: So werden weitere Forschungen zeigen, ob es sich bei den zahlreichen Verästelungen um natürliche Wasserläufe oder ein von Menschhand geplantes Wassersystem handelt.
Das Projekt »Landschaftsarchäologie und regionale Siedlungsnetzwerke um den Fundplatz Tell el-Faraʿin (Buto) im Nildelta (Ägypten)« findet in Kooperation mit dem Fachbereich Geowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main (Dipl.-Geograph Andreas Ginau) statt.