Dr. Bernhard Sicherl, Leiter des Grabungsteams, zeigt sich begeistert von der gut erhaltenen Stadtbefestigung mit ihrer Geschützstellung: »Die freigelegte Mauer ist 1,10 Meter breit und wir konnten sie auf einer Länge von 9,35 Meter erfassen. Deutlich sichtbar ist ebenfalls die Krümmung der Bastionsmauer, die früher halbrund war.« Das Fundament hierfür bildet eine mächtige Aufschüttung. Im Umfeld der Mauer entdeckten die Forscher ein paar wenige Scherben von Keramikgefäßen, die zu dem schriftlich überlieferten Bau der Anlage im 16. Jahrhundert passen.
Die Errichtung der Bastion fällt in eine Epoche, in der wegen der Erfindung von Kanonen mittelalterliche Stadtmauern keinen ausreichenden Schutz mehr boten. Um die Wehrkraft zu erhöhen, errichtete die Bürgerschaft zunächst einen Wall vor der Stadtmauer. Dieser Wall schützte den unteren Bereich der Stadtmauer vor Kanonenbeschuss. Vor diesem Wall entstanden Bollwerke. Diese Bastionen bildeten Plattformen für Kanonen und bestanden in einer halbkreisförmigen Aufschüttung, die mit einer Mauer verstärkt war. Am Lübbertor entstand zusätzlich ein neues Stauwehr, das die Werre aufstaute und damit besseren Schutz durch einen breiteren Wasserlauf gewährte. Doch 200 Jahre später verlor die Befestigungsanlage zunehmend ihre Funktion, da die Reichweite von Geschützen immer größer wurde. Im 19. Jahrhundert wurden die Wälle daher eingeebnet und das Gelände neu bebaut.
Hinweise auf den Verlauf der Mauer geben heute neben den Straßennamen noch alte Karten. Stadtarchivar Christoph Laue machte die nun freigelegte Bastion auf Abbildungen des 17. Jahrhunderts schnell aus: »Auf dem Brandplan von 1638 lässt sich deutlich die freigelegte Bastion erkennen. Die in die Werre hineinreichende Geschützstellung ist auch auf Karten von etwa 1690 gut sichtbar.«
Während die alten Karten den Verlauf der Mauer gut belegen, gewinnen die Archäologen aus den Grabungen weitergehende Kenntnisse. »Die baubegleitende Untersuchung gibt uns erstmals die Möglichkeit, einzelne Teile im Gelände genau einzumessen und in ihrer erhaltenen Substanz als Bodendenkmal zu erfassen«, erklärt Dr. Sven Spiong, Leiter der Bielefelder Außenstelle der LWL-Archäologie für Westfalen. »Wir können nun das Baumaterial bestimmen, den damals nötigen Aufwand berechnen und Details des Festungsbaus so dokumentieren, dass nachfolgende Generationen anhand unserer Unterlagen weiter forschen können,« freut sich der LWL-Archäologe.
Die 1529 begonnene Modernisierung der Herforder Stadtbefestigung hatte für die Bürger auch einen politischen Grund: den Konflikt mit ihrer eigenen Landesherrin. Die fürstbischöflich regierende Äbtissin floh 1547 vor ihrer zum Protestantismus konvertierten Bürgerschaft zum Herzog von Jülich. Das reichsfreie Herford war bis dahin nur dem Kaiser unterstellt und fürchtete, der Herzog würde die Herrschaft über ihre Stadt gewaltsam beanspruchen. Mit dem Ausbau der Mauern wappnete sich die Stadt für kriegerische Auseinandersetzungen.