Die Forscher entschlüsselten auch das Rätsel der Kohlgrube, die sie tief in der Erde entdeckten. Ohne diesen Steinbruch wäre der Dombau damals wesentlich aufwändiger und kostspieliger geworden. Was die Archäologen in den vergangenen zwei Monaten auf dem Marktplatz entdeckten, gibt ihm ein ganz anderes Gesicht, als bislang vermutet wurde. Bekannt war bisher eine schöne Pflasterung mit einfassenden Barockfassaden. In den Schriftquellen ist überliefert, dass hier im 13. und teilweise auch im 14. Jahrhundert der Bischof und seine hohen Beamten wohnten. Die Archäologen entdeckten jetzt ein ganz anderes Bild: Steinbrüche gaben dem Marktplatz ein alles andere als ebenes Aussehen. Pilger und wahrscheinlich auch Bettler hielten sich hier auf, wie der Fund eines Pilgerzeichens belegt. Zeitweise machten bis zu 30 Zentimeter dicke stinkende Schlammschichten den Platz unpassierbar.
Das idyllische Bild vom Marktplatz hat sich also deutlich relativiert. Eine große Anzahl von Lederfunden und das abschließende Urteil der Spezialistin lässt keine anderen Schlüsse zu: Auf dem Marktplatz in Paderborn gab es sehr wahrscheinlich zumindest zeitweilig eine Lederwerkstatt. "Damit präsentiert sich der zentrale Platz der Stadt unmittelbar vor der Haustür des Bischofs deutlich anders, als wir ihn bislang zu kennen glaubten", schildert Stadtarchäologe Dr. Sven Spiong.
Zwei Monate dauerten die archäologischen Untersuchungen der LWL-Stadtarchäologie auf dem Marktplatz in Paderborn. Mit den Ergebnissen ist Dr. Sven Spiong mehr als zufrieden. "Wir haben hier wertvolle Einblicke in das Aussehen dieses zentralen Platzes und seine Entwicklung gewonnen", betont er. Die archäologischen Funde seien so wertvoll und einzigartig, dass sie eine eigene kleine Ausstellung im Herbst im Museum in der Kaiserpfalz füllen werden.
Besonders aufschlussreich ist die Kohlgrube, die unter den Händen der Archäologen südwestlich des Paderborner Domes auf der Nordseite des Marktplatzes zum Vorschein kam. Dabei handelt sich um einen mindestens vier Meter tiefen und 30 Meter breiten Steinbruch. Als kolgrove war der Ort den Historikern schon lange aus den Schriftquellen bekannt, die ihn seit dem 14. Jahrhundert erwähnen. Über seine ursprüngliche Funktion und genaue Lage wusste man bislang jedoch nichts. Das hat sich mit den aktuellen Ausgrabungen geändert: "Angelegt wurde der Steinbruch im frühen 13. Jahrhundert", erläutert Spiong. "Hier brachen die Bauleute sehr wahrscheinlich aus dem hoch anstehenden Fels Kalksteine für den Dom, der seinerzeit neu errichtet wurde." Eine weitere Steinkuhle entdeckten die Archäologen an der Südostseite des Marktplatzes.
Nach der Aufgabe und Verfüllung der Steinbrüche schufen die Bauleute eine gut befestigte Arbeitsfläche, auf der sie Öfen errichteten. So auch auf dem Marktplatz. Die LWL-Archäologen entdeckten Exemplare mit Durchmessern zwischen 30 und 60 Zentimetern mit Kuppeln aus gebranntem Lehm. Wahrscheinlich wurden darin Metallschmelzarbeiten für die Ausstattung des neuen Doms ausgeführt - etwa für die Bleifassungen der Fenster.
Eben blieb der Marktplatz nach Abschluss der Arbeiten am Dom keinesfalls. Der größere nördliche Steinbruch zeichnete sich mit einem Höhenunterschied von zirka 1,50 Metern noch bis in das 15. Jahrhundert deutlich im Gelände ab. Auch der südöstliche Steinbruch vor dem barocken Portal der Gaukirche war noch im 17. Jahrhundert als 50 Zentimeter tiefe Senke vorhanden. Einen halbwegs ebenen Marktplatz scheint es erst nach 1700 gegeben zu haben.
Hier gab die Erde den Archäologen noch einige erfreuliche Funde frei. Neben vielen Ledersohlen kam im Schlamm auch eine goldene Schnalle zum Vorschein. Besonderen wissenschaftlichen Wert hat ein 700 Jahre altes Pilgerzeichen. Es zeigt ein Marienbildnis und wurde von einem Paderborner von einer Marienwallfahrt als Andenken in seine Heimatstadt gebracht. Auch ein Papstsiegel tauchte in der Erde auf. Es war einst auf einer Urkunde von Innozenz dem IV. befestigt, der von 1243 bis 1254 die Papstwürde inne hatte.
Die ebenso ungewöhnlichen wie einmaligen Funde können die Paderborner und alle Interessierten im Herbst mit eigenen Augen bewundern. Dann sind sie im Museum in der Kaiserpfalz im Rahmen einer kleinen Ausstellung zu sehen.