Das untersuchte Areal liegt in Werne-Stockum, auch heute steht hier in der Nähe ein Hof. Hier wird gerade eine Gasleitung mit dem Startpunkt nördlich des Kraftwerks Gersteinwerk in Werne gebaut. Von dort verläuft die Trasse östlich bis nach Hamm-Bockum-Hövel. "Bei Anlage der Sondage und der dann notwendigen Erweiterung auf Breite der Pipelinetrasse entdeckten wir insgesamt 52 unterschiedliche archäologische Befunde", so der Inhaber der beauftragten Grabungsfachfirma, Dr. Georg Eggenstein. "Diese Befunde, deutlich erkennbare dunkle Grubenverfüllungen im hellen Sand, erstreckten sich im Verlauf der Trasse auf mehr als 100 Meter." Die dunklen Stellen im Erdreich zeigen den Experten, dass hier vermutlich hölzerne Pfostenbauten gestanden haben. Einen Hausgrundriss konnten die Archäologinnen erkennen, vermutlich ein landwirtschaftliches Nebengebäude.
Die Hofstelle war offenbar im 11. oder 12. Jahrhundert besiedelt. Das erkennen die Archäologen an den gefundenen Keramikscherben, zumeist von sogenannten Kugeltöpfen. Diese Art mittelalterlicher Keramik gehörte zum Kochgeschirr und hat keine Standfläche. Die Tatsache, dass sie auch am Boden kugelförmig ist, erleichterte das Hineinstellen in ein brennendes Herdfeuer.
Insgesamt bargen die Archäologen zahlreiche Gefäßreste, aber auch weitere Gegenstände des Alltags wie eine Glasperle und die Reste eines Eisenmessers. Eine kreuzförmiges Emailscheibenfibel des 9. oder 10. Jahrhunderts sowie zwei jüngere Silbermünzen des 14. und frühen 16. Jahrhunderts erweitern das Fundspektrum. Schmuckstücke wie die Gewandspange aus Email wurden am Obergewand getragen und dienten dazu, Kleidung wie beispielsweise Umhänge zusammen zu halten. Fibel und Münzen hatte ein ehrenamtlicher Sondengänger entdeckt.
Besonders für die Expertinnen interessant sind die Spuren der Eisenverhüttung und der Holzkohlenproduktion. Dass an diesem Ort Holzkohlen produziert wurde, zeigen die Reste von sogenannten Grubenmeilern. Grubenmeiler dienten Köhlern im Mittelalter zur Herstellung von Holzkohlen. Diese wiederum war nötig zur Befeuerung von Schmiedeöfen und wurde auch bei der Eisenerzverhüttung verwendet. Holzkohle kam immer dann zum Einsatz, wenn besonders heiß brennende Feuer benötigt wurden.
In einer besonders großen Grubenverfüllung von über sechs Meter Länge und 2,5 Meter Breite fanden die Fachleute größere Mengen an Eisenschlacken, die auf Schmiedearbeiten im direkten Umfeld schließen lassen. "Diese Befunde deuten auf eine auf den Eigenbedarf ausgerichtete Produktion", so der Grabungsleiter Sven Knippschild.
Bevor die Archäologen mit der Arbeit begannen, haben sie auf der Grundlage früherer Fundmeldungen das Untersuchungsgebiet festgelegt. Die Arbeiten fanden in enger Abstimmung mit der Bauleitung statt, sodass die Fläche in wenigen Tagen untersucht werden konnte. "Derzeit werden im Grenzbereich der Städte Hamm, Bergkamen und Werne drei neue Gas-Pipelines verlegt. Diese umfangreichen Bodeneingriffe werden sämtlich archäologisch begleitet" so Prof. Dr. Michael Baales, Leiter der Außenstelle der LWL-Archäologie in Olpe.