"Für uns ist das eine echte Sensation", so LWL-Archäologe Wolfram Essling-Wintzer. "Es handelt sich hierbei um die erst dritte sicher nachgewiesene Heizungsanlage dieser Art in Westfalen", meint der Grabungsleiter. Zudem sei das Arnsberger Exemplar ausnehmend gut erhalten, obwohl das Gewölbe und der mittelalterliche Fußboden darüber im 17. Jahrhundert zerstört worden seien.
Unter dem Fußboden eines Nachbarraums zum Kapitelsaal, dem klösterlichen Versammlungsraum, stießen die Archäologen auf Mauerwerk mit Ruß- und Brandspuren. Im Laufe der Ausgrabung konnte dann ein 2,70 Meter langer und 1,65 Meter breiter Brennraum samt Vorraum, von dem aus die Heizung bedient wurde, freigelegt werden. Zahlreiche Gerölle verweisen auf eine ganz bestimmte Bauform der Luftheizung: die Steinspeicherheizung. "Nach heutiger Forschungslage kennen wir diesen Typus aber erst aus dem späteren 13. Jahrhundert", erklärt Essling-Wintzer, wissenschaftlicher Referent für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der LWL-Archäologie für Westfalen. Die Warmluftheizung im Kloster Wedinghausen stammt allem Anschein nach bereits aus der Gründungszeit des Klosters um 1170/73.
Erste echte Luftheizungen sind seit dem 10. Jahrhundert bekannt und fanden sich ausschließlich in Königspfalzen (Quedlinburg, Werla und Pöhlde). Auch technisch weiterentwickelte Anlagen sind im 12. Jahrhundert nur für Bauten des Hochadels (Kaiserpfalz Goslar, Königsburg Dankwarderode) und wenige Klöster (Altzella, Hersfeld, Maulbronn, Pforte, Zwettl) belegt. Direkte Luftheizungen mit Steinspeicher wie im Kloster Wedinghausen galten bisher als Errungenschaft des Spätmittelalters. Diese These scheint der Fund in Arnsberg nun zu widerlegen. "Nicht nur für die Geschichte der Klöster in Westfalen, auch für die überregionale Kultur- und Technikgeschichte ist dieser Fund von besonderer Bedeutung." erklärt Dr. Hans-Werner Peine, Leiter des LWL-Referats für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie.
Um die Heizungsanlage digital wieder auferstehen zu lassen, haben die Forscher einen 3D-Scanner eingesetzt und die mittelalterliche Heizkonstruktion minutiös vermessen. Peine: "So lässt sie sich in Zukunft millimetergenau aus jedem Winkel erfassen und in einer Animation räumlich darstellen."
Der beheizte Raum im Erdgeschoss des Ostflügels vom Kloster Wedinghausen war vermutlich ein "Kalefaktorium", also eine Wärmestube, in der sich die Mönche erholen, baden oder auch schreiben konnten. Starke Holzkohle- und Rußniederschläge deuten darauf hin, dass die Heißluftheizung über lange Zeit in Betrieb war. Aller Wahrscheinlichkeit bis zur Zerstörung des Klosters um 1210.
Heute sind Heizungen in allen Räumen so selbstverständlich wie fließendes Wasser aus dem Hahn oder Strom aus der Steckdose. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein hat es aber auch in Deutschland noch viele Haushalte gegeben, in denen lediglich ein Raum - zumeist die Küche - beheizt waren. Essling-Wintzer: "Dass Heizungen gerade im Mittelalter regelrechter Luxus waren, kann man sich vor diesem Hintergrund gut vorstellen. Welchen hohen technischen Stand die mittelalterlichen Heizungsanlagen bereits erreichen konnten, zeigt der neue aufsehenerregende Befund im Kloster Wedinghausen."
Bei einer Steinspeicherheizung wird das Feuer in einem kellerartigen Raum mit Schürkanal in der Mitte entzündet. Darüber befindet sich ein Ziegelgewölbe, darauf Flussgeröll und -steine. Sie werden durch das Feuer erhitzt. Darüber befindet sich wiederum ein Gewölbe, auf dem der mit verschließbaren Öffnungen versehene Fußboden liegt. Frischluft wird nach dem Erlöschen des Ofens eingelassen, erwärmt sich und strömt durch die Zugwirkung in den Raum über der Warmluftheizung. Auf diese Weise konnte schon im 12. Jahrhundert eine lang anhaltende Wärme von über 20 Grad bei Außentemperaturen nahe Null erzeugt werden. "Das ist ein für diese Zeit enorm kniffliges, technisch wie handwerklich anspruchsvolles System", meint Essling-Wintzer.