"Grabt den Klappstuhl aus!", hieß es im August auf einer archäologischen Grabung in Bayern. Mit der bekannten Filmszene aus "Der Schuh des Manitu" hat dieser außergewöhnliche Fund aber nichts zu tun. Etwa zwei Meter unter der Geländeoberkante legte ein Grabungsteam im mittelfränkischen Endsee ein circa 1,3 mal 2,7 Meter großes Grab frei, in dem sich ein eisernes Gestell befand, das sich bald als Faltstuhl herausstellte. Der Klappstuhl ist in seinem gefalteten Zustand etwa 70 mal 45 Zentimeter groß und stammt aus der Zeit um 600.
"Es ist der zweite Fund eines eisernen Klappstuhls aus dem Frühmittelalter in Deutschland überhaupt! Dieser auf den ersten Blick so neuzeitlich wirkende Fund ist eine absolute Seltenheit und von höchstem kulturhistorischem Interesse, denn er gibt Einblick in die Grabausstattung herausgehobener Bevölkerungsschichten und in den frühen Gebrauch von Möbeln", erklärt Generalkonservator Prof. Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil, Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.
Die wissenschaftliche Grabung, die vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege fachlich betreut wurde, fand im Zuge von Baumaßnahmen im Gewerbepark Rothenburg-Endsee statt. Der Klappstuhl wurde als Grabbeigabe einer weiblichen Bestattung vorgefunden. Die Tote, nach erster anthropologischer Einschätzung eine im Alter von 40-50 Jahren verstorbene Frau, hatte um ihren Hals eine Perlenkette aus kleinen mehrfarbigen Glasperlen. An ihrem Gürtel befand sich ein Gehänge, unter anderem mit zwei Bügelfibeln, einer Almandinscheibenfibel, einer großen Millefioriperle und einem Spinnwirtel. Neben dem Klappstuhl, der zu Füßen der Toten deponiert war, lag ein Tierknochen, vermutlich die Rippe eines Rindes als Teil einer Fleischbeigabe. Reste einer Holzverschalung lassen auf eine geschlossene Grabkammer schließen.
Neben dem Frauengrab legten die Archäologen ein Männergrab frei, das sich in nahezu paralleler Anordnung und West-Ost-Ausrichtung befand. Dem Verstorbenen waren neben seinem Leibgurt mit Bronzeschnalle und Gürteltasche eine komplette Waffenausstattung (Lanze, Schild, Spatha) und ein Beinkamm beigegeben. Restauratoren untersuchen nun den als Block geborgenen Klappstuhl in den Restaurierungswerkstätten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege bei Bamberg und werden ihn nach und nach freilegen. Es ist zu erwarten, dass Röntgenaufnahmen Aufschluss über die Beschaffenheit des Stuhls geben werden, so könnten Verzierungen zum Vorschein kommen.
Grabbeigaben wie dieser Faltstuhl sind äußerst selten. Sie werden in der Forschung als "Sondergaben" interpretiert und sprechen dafür, dass der oder die Verstorbene ein höheres Amt bekleidet hatte oder von höherem sozialen Rang gewesen war. Bislang sind europaweit 29 Fundstellen von frühmittelalterlichen Gräbern mit Faltstühlen überliefert, davon nur sechs aus Eisen. Überwiegend tauchen die Stühle in Frauengräbern auf. Von den meisten Exemplaren sind nur einzelne Bestandteile wie Nägel oder Achsen erhalten, weil sie oft aus organischem Material bestanden wie Holz oder Elfenbein sowie Leder oder Gewebe, die längst vergangen sind. Lange wurden diese Funde fälschlicherweise als Bratspieße oder Raubhaken und nicht als Relikte von Klappstühlen interpretiert. Seit der römischen Antike hat man eiserne und bronzene Klappstühle hergestellt. In der Funktion als sella curulis wurde der Faltstuhl zu einem der bedeutendsten Amtszeichen in der Gesellschaft und verkörperte Eigenschaften wie Autorität, Macht und Würde.