Acht Meter lang ist das längste Element und mehr als dreieinhalb Meter breit. Mehrere hundert Pferdestärken hatten die Römer vor mehr als 2.000 Jahren allerdings nicht, als sie die Einzelteile für die Umwehrung ihres Hauptlagers an der Lippe in den Halterner Boden setzten. Da haben es die modernen Bauleute heute deutlich leichter bei der Rekonstruktion der römischen Lagerumwehrung.
Täglich liefern Tieflader und Lkw fertig montierte Holz-Joche an. Zwei Kräne stehen auf dem Gelände bereit. Einer wuchtet die bis zu zwei Tonnen schweren vormontierten Bauelemente aus Eichenholz in die Höhe und manövriert sie haargenau an die davor vorgesehenen Stellen. Ein anderer Kran hebt mit Leichtigkeit kapitale Stahlschalen in die Luft, um sie dort in den Boden zu setzen, wo das Beton-Fundament für die meterhohen Holzgerüste entsteht. Binnen zwei Stunden stehen bereits die ersten drei Joche der Holz-Erde-Mauer an ihrem Platz.
Die Vorbereitungen für diese ersten sichtbaren Baumaßnahmen für den Römerpark laufen schon seit langer Zeit. Bereits vor Monaten hat ein Sägewerk in Ahaus Eichenstämme - zumeist bereits gefällte Bäume aus den umliegenden Wäldern des Münsterlands - ausgewählt. Die Säge verwandelte in den vergangenen Wochen die gut 100jährigen Bäume binnen fünf Minuten in passgenaue Holzpfähle inklusive Baumkante. Die Sägetechnik der Römer war die gleiche - nur weitaus weniger bequem. Praktische Gabelstapler gab es dagegen noch nicht, um die riesigen Pfähle auf ihrem Lagerplatz zu deponieren und schließlich in die "Weiterverarbeitung" zu transportieren. Vor 2.000 Jahren waren Muskel- und Pferde- oder Ochsenkraft gefragt.
In einer Schreinerei nur wenige Kilometer entfernt beschäftigten sich in den vergangenen Monaten Fachleute mit der Herstellung der insgesamt 35 Bauteile für die 96 Meter lange Holz-Erde-Mauer inklusive Westtor. Der Ingenieur und Archäologe Dr. Kees Peterse hatte zuvor den archäologischen Befund, den LWL- Archäologen im Halterner Boden erforscht und dokumentiert hatten, in die dritte Dimension übersetzt. Mit der virtuellen Rekonstruktion in den Händen musste die Schreinerei, die auf historische Bauwerke sowie Eichen- und Fachwerkrekonstruktionen spezialisiert ist, einen realen Nachbau möglich machen. Per Computer wurde jedes Loch, jede Öffnung, jedes Pendant für den hölzernen Zapfen virtuell auf jeden einzelnen Eichen-Balken gezeichnet. Die Fräse gehorchte den digitalen Kommandos und erledigte das, was die Römer mühselig in Handarbeit erledigten, in einem Bruchteil der Zeit am realen Baumstamm.
Handarbeit war in den großen Hallen der Schreinerei in Ahaus dennoch gefragt. Insbesondere die Pfähle mussten originalgetreu wie schon von den Römern selbst mit den Werkzeugen, die sich bis heute kaum verändert haben, bebeilt werden. Denn: "Die Rekonstruktion erfolgt so originalgetreu wie möglich, um den späteren Besuchern zu zeigen, wie vor 2.000 Jahren solche eindrucksvollen Bauwerke mittels römischer Bautechnik entstanden sind", erläutert Prof. Dr. Michael M. Rind als Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. Eine schweißtreibende Arbeit, mit der allein acht junge Fachleute beschäftigt waren. Denn genau das will der Römerpark Aliso vermitteln, so Dr. Rudolf Aßkamp, Leiter des LWL-Römermuseums: "Bautechniken, die zu Zeiten der Römer die fortschrittlichsten waren und Bauwerke zur Folge hatten, die heute noch im Boden zu sehen sind. Das alles auf einer wissenschaftlich fundierten Basis."
Deshalb sind auch keine Schrauben und keine Nägel zu sehen - außer für die Stabilität beim Transport oder beim Aufbau. "Die einzelnen Holzteile werden wie bei den Römern auch mit Holzzapfen und Elementen verbunden", erläutert Aßkamp. Einzig das Fundament für die Holz-Erde-Mauer und die acht Meter hohen Türme des Westtores ist aus Beton gegossen - um dem Bauwerk eine entsprechend lange Lebensdauer zu ermöglichen.
Insgesamt rund 250 Kubikmeter Holz werden in den nächsten Monaten auf dem Gelände des Römerparks in die Höhe wachsen. Für Herbst ist die offizielle Eröffnung von Toranlage und angrenzender Holz-Erde-Mauer geplant. Anschließend wird noch eine Rampe errichtet, um auch Menschen mit Handicap den Zugang zu ermöglichen. Insgesamt wird das Bauwerk dadurch 150 Meter Länge erreichen.