Als Lehrgrabung mit Studierenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Freien Universität Berlin und auch mit internationaler Beteiligung finden zurzeit Ausgrabungen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt bei Eilsleben statt. Initiiert wurde die Untersuchung in Vorbereitung auf ein umfassendes Forschungsprojekt durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Als federführende Kooperationspartner und Leiter der Untersuchungen vor Ort konnten PD Dr. Laura Dietrich, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg/Forschungsnetzwerk HEAS (Human Evolution & Archaeological Sciences/Wien), und Prof. Dr. Henny Piezonka, Freie Universität Berlin, gewonnen werden.
Intensiv ausgegraben wurde an dem Fundplatz bereits zwischen 1974 und 1989 durch den damaligen Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte, Dr. Dieter Kaufmann. Damals wurden Teile einer äußerst fundreichen Siedlung der ersten Bauern in Mitteleuropa nachgewiesen, die zur sogenannten Linearbandkeramischen Kultur (5500 bis 4800 vor Christus) gehören. Zutage traten Befestigungsanlagen, Gräber und Hausbefunde ebenso wie Gruben, die mit komplexen Ritualen, darunter der Opferung von Tieren und auch Menschen in Verbindung gebracht wurden. Die Siedlung gehört mit 12 Hektar Gesamtfläche zu den größten ihrer Zeit und liegt an der nördlichen Peripherie des jungsteinzeitlichen Siedlungsraumes in der fruchtbaren Magdeburger Börde.
Eine komplette Aufarbeitung und Auswertung der Altfunde nach modernsten wissenschaftlichen Standards steht noch aus. Ihnen gilt daher ein umfassendes Aufarbeitungsprojekt am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, aus dem sich auch neue Fragestellungen ergeben. Seit diesem Jahr finden aus diesem Grund erneut Untersuchungen an dem Fundplatz statt, die einem besseren Verständnis der Lebens- und Wirtschaftsweise ebenso gelten wie der Frage nach Kontakten der frühesten Bauern in unserer Region mit den zuvor hier lebenden Jägern und Sammlern.
Hintergrund: erste Bauern, letzte Jäger und Sammler
In der Forschung war lange umstritten, ob Ackerbau und Viehzucht zu Beginn des Neolithikums (Jungsteinzeit) vor etwa 7.500 Jahren im Rahmen einer Einwanderung von Bauern oder durch den Transfer von Ideen nach Mitteleuropa gelangten. Archäogenetische Untersuchungen stützen in den letzten Jahren das erstere Modell: Sie belegen eine massive Einwanderung von Menschen aus Anatolien und der Ägäis. Diese Bauern siedelten auf den fruchtbaren Lössböden und drängten die ansässigen Jäger-Sammler-Gesellschaften der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) in für den Ackerbau weniger geeignete, periphere Zonen ab. Bestimmte Übernahmen etwa im Bereich der Stein- oder Geweihgeräte deuten jedoch enge Beziehungen zwischen den Einwanderern und der lokalen Bevölkerung an, die zurzeit noch nicht umfassend verstanden werden. Die Siedlung von Eilsleben spielt hier eine besondere Rolle, da sie vorgeschoben am nördlichsten Rand der bäuerlichen Welt liegt, in einer Region, die prädestiniert für den Austausch mit umliegenden Wildbeuter-Gemeinschaften gewesen sein muss.
Die Siedlung der Linearbandkeramik von Eilsleben
Der Fundplatz bei Eilsleben wurde bereits in den 1920er Jahren durch Oberflächenfunde identifiziert und dann, ausgelöst durch Meliorationsarbeiten, ab den 1970er Jahren archäologisch untersucht. Zwei Siedlungsphasen konnten im Grabungsbefund unterschieden werden. Zur ältesten Linearbandkeramik gehören ein Nord-Süd ausgerichtetes Haus mit charakteristischen Lehmentnahmegruben entlang der Wände und Reste eines Grabens von 2,5 bis 3 Metern Breite und 0,5 bis 0,7 Metern Tiefe. Ein geophysikalischer Survey belegte bereits 2006 die Existenz zahlreicher weiterer, ähnlich ausgerichteter und bislang nicht ausgegrabener Häuser. Während der jüngeren Linearbandkeramik wurde eine zunächst runde Befestigungsanlage mit Wall und Graben und einem hölzernen Zaun errichtet. Zentral in dieser Anlage befand sich eine Quelle. In einer späteren Phase wurde die Befestigung zu einer trapezoiden Anlage erweitert, wiederum mit Wall, Graben und Palisade. In deren südlichem Teil sind auf Luftbildern und dem geophysikalischen Plan ein möglicher zweiter Graben und zwei Tore erkennbar. Die Überprüfung der Ergebnisse zur Siedlungsstruktur ist eines der Ziele der aktuellen Untersuchungen. Zudem hatten die Altgrabungen mehrere Befunde ergeben, die von den Ausgräbern als Hinweise auf komplexe Opferriten interpretiert wurden, die auch Menschenopfer mit einschlossen. Auch hier soll weiter nachgeforscht werden.
Aktuelle Untersuchungen und Ausblick
Den neuen Ausgrabungen gingen umfangreiche Geomagnetikuntersuchungen voraus, die den bereits bekannten Siedlungsplan ergänzen. Auf dieser Grundlage wird zurzeit eine Fläche von 200 Quadratmetern detailliert untersucht. Erstmals kommen für diese Stätte moderne Verfahren wie Sedimentanalysen, Mikromorphologie und Phytholithenanalysen zum Einsatz, um die Entstehung des Fundplatzes genauer zu erfassen. Das umfangreiche Fundmaterial, bestehend aus Scherben von Keramikgefäßen, Steingeräten (Klingen, Pfeilspitzen, Beile) und Knochen- und Geweihartefakten wird mit den Methoden der Objektarchäologie, darunter Rückstands- und Gebrauchsspurenanalysen auf die ehemaligen Funktionen hin untersucht. Besonders im Fokus stehen dabei Fundgruppen, die Hinweise auf den Austausch mit Jäger-Sammler-Gruppen geben können.
Bereits jetzt zeigen die Ausgrabungen, dass die jungsteinzeitlichen Siedlungsreste erstaunlich gut erhalten sind. Die Ausgräberinnen und Ausgräber fanden Pfostenstellungen von Häusern ebenso wie die Reste lehmverputzter Hauswände. Mit großer Akribie werden die Fundkonzentrationen weiter freigelegt und beprobt, um Rückschlüsse auf die Raumnutzung zu gewinnen. An den Ausgrabungen sind 20 deutsche und internationale Studierende beteiligt, die in diesem Rahmen einen Teil ihrer methodischen Ausbildung in Vermessungs-, Ausgrabungs- und Dokumentationstechniken absolvieren. Die diesjährigen Ausgrabungen wurden am 20. September 2024 abgeschlossen. Eine Fortsetzung ist für die kommenden Jahre im Rahmen eines größeren Projekts geplant.