Klein sind sie und auf den ersten Blick meist unscheinbar, die bronzenen Fragmente, die seit langer Zeit, oft unbeachtet in Museen und Archiven lagern. Es handelt sich um Überreste antiker, einst eindrucksvoller Statuen, Abbilder von Göttern, Kaisern und herausragenden Persönlichkeiten. Aufgestellt als Ehrenstatuen oder Kultbilder in den römischen Militäranlagen und Zivilsiedlungen, erlebten sie im Zusammenhang mit den Wirren im 3. Jahrhunderts n. Chr. ein jähes Ende, wurden zerstört, zerschlagen und zerstückelt. Einfallende Germanen demonstrierten dadurch den Sieg über den Gegner, verwendeten die wertvolle Bronze aber auch als Altmetall weiter. Vor diesem historischen Hintergrund stellen die zahlreichen Fragmente der römischen Bronzestatuen eine einzigartige Objektgruppe innerhalb des provinzialrömischen Fundspektrums dar.
Im Projekt „Römische Großbronzen am UNESCO-Welterbe Limes“ werden erstmals systematisch alle Fragmente aus den Provinzen Germania Inferior, Germania Superior und Raetia – aus einem Gebiet, das von der Schweiz bis in die Niederlande reicht – intensiv unter Einsatz modernster Technik untersucht. Hierbei werden alle Statuenfragmente, sowohl von der militärischen Grenzlinie, dem Limes, als auch jene aus den zivilen Siedlungen des Hinterlandes aufgenommen. Bisher sind rund 700 Fragmente bekannt, aber wie sich bereits zum Auftakt des Forschungsprojektes gezeigt hat, sind weitere Entdeckungen zu erwarten. Von besonderem Interesse sind Spuren an den Fragmenten, die auf die Umstände hinweisen, unter denen die Statuen zerstört wurden. An ihnen lassen sich die unruhigen Zeiten im Laufe des 3. Jahrhunderts ablesen. Damals stürzten einfallende Germanen die Statuen von ihren Sockeln und Metallsammler schmolzen die Bruchstücke ein, um aus dem wertvollen Metall neue Gegenstände herzustellen.
Ziel des Projektes ist es, einer Reihe bisher ungeklärter Fragen nach zu gehen. Häufig ist ungewiss, wen die Statuen einst darstellten. Zudem liefert der ursprüngliche Aufstellungsort der Statuen wichtige Rückschlüsse über deren Funktion im militärischen und im zivilen Kontext. Im Focus des Forschungsprojektes stehen ebenso Fragen zu antiken Herstellungstechniken und zum Technologietransfer zwischen dem Zentrum Rom und seinen nördlichen Provinzgebieten. Dazu werden die Fragmente unter Einsatz der neusten Analysemethoden untersucht und mit Statuen aus Italien verglichen. Mit Hilfe von Röntgenaufnahmen, Computertomographie und Guss-Simulationen können zudem Angaben zum Herstellungsprozess gemacht werden. Aber auch die Farbigkeit der Statuen, mittels Vergoldungen oder Einlagen aus anderen Metallen, welche die Statuen einstmals regelrecht lebendig wirken ließen, werden untersucht. Die Ergebnisse des vierjährigen Projektes werden nicht nur durch eine Internet-Datenbank, sondern auch durch eine Ausstellung und eine Gesamtpublikation der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.