Alte Handschriften und modernste Technik - DFG fördert Digitale Handschriftenbibliothek Köln
Beides geht eine glückliche Symbiose im Projekt "CEEC (Codices Electronici Ecclesiae Coloniensis)" ein, zu dem sich die Sprachliche Informationsverarbeitung der Universität zu Köln und die Diözesan- und Dombibliothek der Erzdiözese verbündet haben. Durch dieses von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt wird der Gesamtbestand der alten Kathedralbibliothek - der einzigen im Kern seit dem Mittelalter erhaltenen Bibliothek nördlich der Alpen - mit den modernsten Techniken im Internet der Fachöffentlichkeit und den interessierten Laien angeboten.
Das Projekt setzt in mehreren Beziehungen Maßstäbe: Mit ca. 130.000 Seiten, von denen 18.000 zum Zeitpunkt der Vorstellung bereits bereitstehen wird eine ganze Sammlung mittelalterlicher Codices in einer Qualität bereitgestellt, die in den digitalen Medien bisher einzelnen Prachthandschriften vorbehalten war und meist nur bei der Publikation einzelner CDs verwendet wurde. Noch wichtiger aus wissenschaftlicher Sicht ist jedoch, dass diese Menge hochauflösender Grafikdaten - die Rohdatenmenge entspricht einem Stapel von mehr als 9000 CD-ROMs - von Erschließungsinstrumenten begleitet werden, die die einzelnen Codices nicht nur mit einzelnen "Katalogkarten" erfassen, sondern für jeden Codex eine möglichst vollständige Sammlung der darüber vorhandenen Beschreibungen anstreben. Diese Beschreibungen, im Internet durchsuchbar, decken die volle Länge der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Bibliothek des Domes ab - vom Bücherverzeichnis des Jahres 833 bis zur eingehenden Behandlung der Werke im voluminösen Ausstellungskatalog des Jahres 1998, was in einzelnen Handschriften schließlich dem Umfang von mehreren Dutzend Druckseiten erreicht.
Die Kölner Codices enthalten einige der schönsten Beispiele mittelalterlicher Buchmalereien: Bibliothek und Universität verzichten jedoch bewusst darauf, die Handschriften als Sammlungen ästhetischer Effekte in einem Wettbewerb um die größt-mögliche "Treffer"zahl im Internet anzubieten. Dass die Schönheit der Buchmalereien einem größeren Publikum in Zukunft leichter zugänglich wird, ist ein willkommener Nebeneffekt. Vor allem aber geht es darum, die Handschriften als Texte der internationalen Forschung in einer neuen Form zugänglich zu machen. Auch hier setzt das Projekt Maßstäbe: Die Kenntnis des traditionellen Zitats einer Seite der Handschriften reicht aus um diese Seite direkt vom eigenen Schreibtisch aus ansprechen zu können; von der Seite zur integrierten Beschreibung der Handschrift und von dieser zur elektronischen Fassung einiger der wichtigsten Instrumente zu ihrer Bearbeitung zu kommen. Die Fußnote der Zukunft wird damit vom mühsam handhabbaren Apparat zu einer lebendigen "anklickbaren" Verbindung zwischen wissenschaftlicher Analyse und analysiertem Gegenstand.
Neue Wege versucht das Kölner Projekt auch in organisatorischer Hinsicht zu gehen: Digitalisierungsprojekte werden im Bibliotheksbereich bisher meist als Unternehmen verstanden, in denen eine Bibliothek ihre Bestände der wissenschaftlichen Öffentlichkeit bereitstellt. Hier wird versucht, die Bereitstellung von Informationen mit ihrer wissenschaftlichen Erschließung wesentlich enger zu verzahnen, als dies bisher möglich war. Der alte Benutzer in der Ecke des Lesesaales, an den der Neuankömmling mit einer spezialisierten Frage verwiesen wird, ist oft eine geschätzte Ergänzung des Stabes so manchen Archivs. Im Zusammenwirken mit namhaften mediävistischen Fachleuten wird in Köln nun versucht eine neue Form der Erschließung dieses spezialisierten Privatwissens für das "Publikum" der digitalen Codices zu finden. Mehrere Mechanismen werden vorbereitet, die es Bibliotheksbenutzern nicht nur erlauben, sondern sie nachhaltig ermutigen sollen, ihr aus der Beschäftigung mit den Handschriften entstehendes spezialisiertes Wissen über sie direkt in die elektronisch zugänglichen Erschließungsinstrumente für die Handschriften eingehen zu lassen.
Quelle: Uni Köln (idw)