Vor achttausend Jahren in Europa: die frühneolithischen Menschen betreiben erstmals Ackerbau und halten sich Schaf, Ziege und Rinder. Aber deren Milch konnte damals die Mehrzahl der frühen Bauern noch gar nicht verdauen. Dies ergaben die Untersuchungen des Anthropologenteams anhand alter Erbsubstanz (aDNA) aus Skeletten des Meso- und des Neolithikums.
Laktase heißt das Enzym, das im menschlichen Körper den Milchzucker verdauen hilft. Im Säuglingsalter liegt es beim Menschen in ausreichenden Mengen vor, wird aber nach dem Abstillen nur noch in viel geringerem Maße produziert, sodass Milch im Erwachsenenalter sehr schlecht physiologisch zu verwerten ist. So ist es auf der ganzen Welt, nur nicht in Europa und Teilen Afrikas. "Die Fähigkeit von Erwachsenen, Milch ohne Probleme zu verdauen, muss sich also später durch natürliche Selektion verbreitet haben", sagt Prof. Joachim Burger vom Institut für Anthropologie. Und die Laktasepersistenz muss vor allem in Nordeuropa ein Vorteil gewesen sein, denn heute weisen etwa 70 Prozent der Menschen in Norddeutschland, Skandinavien oder Holland Laktasepersistenz auf. Die Häufigkeit nimmt nach Süden ab, sodass sie in Süditalien etwa gänzlich abwesend ist.
Aufgrund ihrer kleinen physiologisch-genetischen Variante wurde eine Minderheit jahrtausendelang von der Evolution derart bevorzugt, dass die Häufigkeit des Merkmals von nahezu Null bis auf über 70 Prozent gestiegen ist und das in nur 8000 Jahren, in evolutionären Massstäben gerechnet ein unglaublich kurzer Zeitraum. Die Forscher sprechen deshalb in diesem Zusammenhang von dem Gen mit der möglicherweise höchsten positiven Selektion im gesamten menschlichen Genom und Mark G. Thomas, Mitautor der Studie und Populationsgenetiker am University College in London, betont, "Das ist der erste direkte Nachweis von positiver Selektion beim Menschen".
Mögliche Gründe für dieses Entwicklung sehen die Wissenschaftler im Energiereichtum der Milch, die zudem noch Kalcium enthält. Dass Säuglinge nach dem Abstillen weiterhin Milch trinken konnten, reduzierte vermutlich die hohe Rate der Kindersterblichkeit und dürfte allgemein in Zeiten schlechter Ernten von Vorteil gewesen sein, interessanterweise aber eben nur in wenigen Regionen der Erde.
Die Studie wurde in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.