Es ist die letzte größere Fläche im Bereich des Bebauungsplans, mit dem die Stadt in den 1980er Jahren das Bodendenkmal überplant hat. Im Bereich zwischen den Straßen "Am Kastell", "An der Römerbrücke" und "Edith-Stein-Weg" musste die hessenARCHÄOLOGIE daher seit 2015 insgesamt rund 6500 m² der römischen Siedlung archäologisch untersuchen. Die aktuelle Untersuchung ist durch eine Baumaßnahme notwendig geworden, da die Baugenehmigung die Auflage einer archäologischen Untersuchung zu Beginn der Bauarbeiten enthielt. Im Rahmen dieser Ausgrabung werden nun die noch im Boden befindlichen Strukturen freigelegt, fotografiert, gezeichnet und die vorhandenen Funde geborgen.
Auf den ungefähr 700 m², die aktuell zur Untersuchung anstehen, wurden bisher vier römische Grundstücke mit sogenannten Streifenhäusern nachgewiesen. Von den ursprünglich in Holz-Fachwerk errichteten Gebäuden haben sich allerdings nur noch die Verfärbungen im Boden erhalten. Hinzu kommen ein Keller, sechs Brunnen und etliche Gruben, die zur Abfallentsorgung gedient haben. Aus den Brunnen und besagten Abfallgruben stammen Fundobjekte wie z. B. Keramikscherben, Tierknochen, Münzen und Eisengegenstände, die Einblicke in das Alltagsleben und die Arbeit der Menschen vor 1900 Jahren geben. So gelang u. a. auch der Nachweis von Buntmetallverarbeitung in einem der Häuser.
Die ersten Römer waren um 70 n. Chr. vor Ort und bauten im Bereich der heutigen Fasanerie ein Militärlager (Kastell) für 500 Soldaten. Kurz danach entstand auch die zum Kastell gehörende Zivilsiedlung (Vicus), deren Häuser nun im Rahmen der aktuellen Ausgrabung in Resten nachgewiesen werden konnten. Um 115 n. Chr. zog das Militär allerdings ab, um ein neues Lager weiter östlich am Limes zu errichten. Die Siedlung vor Ort existierte aber weiter und bildete den zentralen größeren Ort in der Besiedlung des Hessischen Rieds in römischer Zeit. Bis ungefähr 260 n. Chr. hatte diese Siedlung Bestand,wurde von den Römern aber dann aufgegeben.
Mit der aktuellen Untersuchung wurde ein weiterer Bereich der römischen Siedlung Groß-Gerau aufgedeckt. "Damit gehört dieses Areal zu der flächenmäßig am umfassendsten untersuchten römischen Siedlung in Hessen", wie der zuständige Bezirksarchäologe Thomas Becker vor Ort erläuterte.
Mit den Ausgrabungen geht aber auch ein Stück kulturelles Erbe der Region verloren - die gewonnen Informationen sind jedoch durch die systematischen Untersuchungen und Dokumentationen gesichert und bleiben somit für nachfolgendeGenerationen erhalten. "Es ist wichtig für die Bevölkerung sich ihrer Geschichte immer bewusst zu sein und diese Grabung wird mit ihren Ergebnissen einen großen Teil dazu beitragen können", betonte der Erste Kreisbeigeordente Walter Astheimer bei diesem Ortstermin. Sowohl er als auch Becker betonten zudem die außerordentliche gute und einvernehmliche Zusammenarbeit der Unteren Denkmalschutzbehörde Groß-Gerau –vertreten durch Lea Pflüger – mit der Fachabteilung bei den aktuellen Maßnahmen.
Die aktuellen Ausgrabungen werden planmäßig Mitte April abgeschlossen sein, so dass die weitere Baumaßnahme wie geplant umgesetzt werden können.