Edelmetallfunde aus dieser Zeit sind in Südwestdeutschland sehr selten. Das Gold des Spiralröllchens stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus Cornwall im Südwesten Englands. Als ungewöhnlich frühes Zeugnis der weitreichenden Kontakte der damaligen Menschen für solche Luxusobjekte misst das ausgrabende Forschungsteam dem Fund eine hohe kulturhistorische Bedeutung bei. Leiter der Grabung waren Professor Raiko Krauß vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen und Dr. Jörg Bofinger vom Landesamt für Denkmalpflege im Regie-rungspräsidium Stuttgart.
Bei der Grabung stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass die Frau in seitlicher Hockerstellung mit dem Gesicht nach Süden bestattet wurde. Diese Art der Bestattung ordnen sie noch in eine Tradition der ausgehenden Jungsteinzeit in Mitteleuropa ein. Als einzige Beigabe im Grab wurde links hinter der bestatteten Frau, etwa in Hüfthöhe, das Spiralröllchen aus Golddraht gefunden. Es könnte als Haarschmuck verwendet worden sein und deutet auf einen hohen sozialen Status der Trägerin hin. Die Grablegung bestimmte das Forschungsteam über eine Radiokohlenstoffdatierung der Knochen auf den Zeitraum zwischen der Mitte des 19. und dem Ende des 17. Jahrhunderts vor unserer Zeit. So konnte es die Bestattung auf die frühe Bronzezeit eingrenzen.
Das Gold enthält rund 20 Prozent Silber, weniger als zwei Prozent Kupfer sowie Spuren von Platin und Zinn. Diese Zusammensetzung verweist auf eine natürliche Goldlegierung, wie sie typisch ist für Gold, das aus Flüssen gewaschen wurde. Das Muster der Spurenelemente ähnele dem des Golds aus Lagerstätten in Cornwall in Südwestengland, insbesondere aus dem Einzugsgebiet des Flusses Carnon, berichtet das Forschungsteam. Bemerkenswert sei der klare Bezug nach Nordwesteuropa. Die bisher bekannten älteren Gold- und Edelmetallfunde in Europa stammten dagegen beinahe ausschließlich aus Lagerstätten in Südosteuropa. Dort gebe es Nachweise, dass Schmuckgegenstände aus Gold bereits vom fünften Jahrtausend vor unserer Zeit an hergestellt wurden.
Den neuen Goldfund aus Ammerbuch-Reusten wertet das Forschungsteam als Beleg, dass westliche Kulturgruppen in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends vor unserer Zeit wachsenden Einfluss auf Mitteleuropa gewannen. Das Frauengrab befand sich unweit einer Gruppe weiterer Bestattungen der Frühbronzezeit und steht offenbar in einem Zusammenhang mit der bekannten Höhensiedlung auf dem nahegelegenen Reustener Kirchberg.
Publikation
An Early Bronze Age Burial with a Golden Spiral Ring from Ammerbuch-Reusten, Southwestern Germany
Praehistorische Zeitschrift. 21.5.2021
DOI: 10.1515/pz-2021-0010