Ein Sandsteinblock, 110 cm groß, mit einer deutlich vom halbrunden Kopf abgesetzten Schulterpartie und einem stark stilisierten Gesicht: So sieht die Skulptur aus, die 2014 bei Straßenbauarbeiten in der Nähe von Gallmersgarten entdeckt wurde. Sie datiert etwa auf das Jahr 3000 vor Christus. Somit ist sie die älteste vollplastisch bearbeitete Steinskulptur Bayerns und zählt zu den bedeutendsten Funden aus der Jungsteinzeit im Freistaat.
Die Entdeckung der Stele war ein Glücksfall: Felix Wagner, Grabungstechniker am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD), beobachtete auf einer abendlichen Heimfahrt zufällig Bauarbeiten in der Windsheimer Bucht, einer an archäologischen Fundstellen reichen Gegend, und inspizierte die Arbeiten außerplanmäßig. Neben einem frisch ausgehobenen Kanalgraben entdeckte er einen großen Steinblock, den der Baggerfahrer beiseitegelegt hatte, um ihn als Gartendekoration zu verwenden. Der Mitarbeiter des BLfD erkannte sofort, dass es sich bei dem Steinblock um eine Statue mit herausragender Bedeutung handelt. Daraufhin wurden archäologische Untersuchungen der Fundstelle eingeleitet.
Während Figuren mit plastischer Gesichtsdarstellung und vollständig bearbeitetem Körper aus dem ausgehenden vierten Jahrtausend vor Christus nördlich der Alpen bisher unbekannt waren, sind sie im Mittelmeerraum weit verbreitet. In Nord- und Mittelitalien sowie in Südfrankreich sind teilweise ganze Stelen-Landschaften bekannt. Der Zweck der Figuren ist nicht eindeutig geklärt, die Deutungen reichen von Grenzwächter, Ahnendarstellung, Verkörperung göttlicher Mächte bis zu Herrschaftssymbolen und mythischen Wesen.
"Über Nord- und Westbayern in der Jungsteinzeit ist wenig bekannt. Die Stele von Gallmersgarten liefert neue Erkenntnisse, beispielsweise, dass Bayern damals in ein überregionales Beziehungsgeflecht eingebunden war, das auf Gemeinsamkeiten kultisch-religiöser Art basierte. Wunderbar, dass der einzigartige Fund nun dauerhaft im Museum der Öffentlichkeit präsentiert wird!", sagt Dr. Stefanie Berg, Leiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege, BLfD.
Von 2018 bis 2019 wurde die Stele von Gallmersgarten im Gropius Bau in Berlin in der Ausstellung "Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland" präsentiert. Nun kehrt sie dauerhaft in den Landkreis ihres Fundortes zurück. Seit dem 25. Oktober ist die Steinfigur in der neuen Dauerausstellung "Im Herzen Europas. Der Gollachgau und seine Umgebung als Treffpunkt jungsteinzeitlicher Kulturen" des Gollachgaumuseums in Uffenheim zu sehen. Mit Unterstützung der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern zeigt der örtliche Museumsverein sie dort in einer anschaulichen und modernen Präsentation. Das Museumspublikum erfährt in der Ausstellung nicht nur Wissenswertes zur Stele selbst, sondern auch zur Archäologie der Jungsteinzeit in der Gollachgau-Region.