Die erste großangelegte Ausgrabung im Stadtkern förderte einige Überraschungen zutage. Man hatte mit Spuren mittelalterlichen Handwerks in den Hinterhöfen gerechnet. Stattdessen kamen vor allem die "stillen Örtchen" der ehemaligen Bewohner zum Vorschein. Nicht weniger als elf Latrinen konnten die Archäologen der Firma Archäograph ganz oder teilweise freilegen.
Die Toiletten gehörten zu den inzwischen abgerissenen Häusern an der Schul- und der Sonnengasse. Sie waren nicht alle gleichzeitig in Benutzung. War eine Latrine voll, wurde in der Nachbarschaft eine neue ausgehoben. Obwohl das schon damals nicht gerne gesehen wurde, entsorgten die Ehinger auch ihren Hausmüll im Abort – eine wahre Fundgrube für Archäologen. Die Abfälle geben Auskunft über die Lebensgewohnheiten vom späten Mittelalter bis in die frühe Neuzeit: Neben zerbrochenen Gefäßen haben sich vor allem die Knochen verschiedener Tiere erhalten. Aber auch Lederreste, Obstkerne und andere vergängliche Materialien konnten geborgen werden.
Sogar ein bislang unbekannter Keller an der Sonnengasse kam bei den Grabungen zum Vorschein. Die Funde, die darin geborgen wurden, lassen darauf schließen, dass er bereits im 18. Jahrhundert zugeschüttet worden war. Kein Wunder also, dass die Anwohner davon nichts wussten.
Während nun auf dem Areal die Baumaschinen anrücken, geht für die Archäologen die Arbeit am Schreibtisch weiter. Zahlreiche Funde müssen gereinigt und untersucht, Bodenproben ausgewertet, Pläne erstellt werden. Viele Fragen zum täglichen Leben vergangener Jahrhunderte im Zentrum von Ehingen können dann beantwortet werden.
Knochen und Pflanzenreste geben Auskunft über den Speiseplan im späten Mittelalter. Bruchstücke von Geschirr spiegeln den Geldbeutel und den Geschmack der Eigentümer wider. Nur wenige Funde vermitteln einen derart direkten Einblick, wie das Tonfigürchen, das in einer der Latrinen gefunden wurde: Es zeigt eine Frau, nach der Mode des 16. Jahrhunderts gekleidet, wie sie auch in einem der Bürgerhäuser in der Nähe des Marktplatzes gelebt haben könnte.