Bisher galten keltische Fundstellen des 5. bis 4. Jahrhunderts vor Christus, ebenso im heutigen Baden-Württemberg, als älteste Brauereien Mitteleuropas. Weltweit stammen die ältesten Brauereinachweise bisher aus Israel mit Datierungen aus dem 12. Jahrtausend vor Christus.
Bei der nun untersuchten Fundstelle handelt es sich um die Seeufersiedlung Hornstaad-Hörnle IA, die vor der Halbinsel Horn in der Flachwasserzone des Bodensees liegt. Wie Messergebnisse des Labors für Dendrochronologie des Landesamtes für Denkmalpflege gezeigt haben, wurde die etwa fünfzig Häuser umfassende Siedlung innerhalb weniger Jahre zwischen 3917 und 3910 vor Christus errichtet. Um 3910 vor Christus fiel sie einem verheerenden Brand zum Opfer, wurde danach aber sofort wieder aufgebaut. Durch das Schadfeuer sind ganze Haushalte verbrannt, darunter auch Schmuck, Getreidevorräte, Waffen und Geräte sowie tonnenweise Scherben und Tierknochen. Vor welcher Mammutaufgabe die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler standen, zeigt auch die Zahl der erhaltenen Pfähle: Es wurden über 14.500 Pfähle verprobt und das auf einer Fläche von nur etwa einem Fünftel der gesamten Siedlung. Verbrannte Gefäßinhalte gehörten bisher nicht zu den spektakulärsten Funden, aber neue naturwissenschaftliche Ansätze machen in der Archäologie immer wieder Überraschungen möglich.
Die nun im Fachjournal PLOS ONE veröffentlichte Studie nutzt spezifische Abbauspuren, die beim Keimen (und damit beim Mälzen) an den Zellwänden von Getreidekörnern entstehen, erstmals zum Nachweis von Malz in verkohlten archäologischen Resten. Dem internationalen Forscherteam ist es gelungen, diese Methode erfolgreich auch auf verbrannte amorphe Krusten in Töpfen anzuwenden, in denen keinerlei Körner mehr kenntlich waren.
Besonders interessant ist der Fund aus Hornstaad-Hörnle, weil er belegt, dass fein zerkleinertes Gerstenmalz mit einer Flüssigkeit aufgegossen wurde. Der Nachweis, dass diese Flüssigkeit bereits alkoholhaltig war, ist allerdings kaum zu erbringen. Es könnte sich theoretisch auch um ein noch alkoholfreies Malzgetränk gehandelt haben.
Die Forschungen fanden im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat ERC geförderten Projekts Plantcult statt. Zu Vergleichszwecken waren auch Proben aus Ägypten untersucht worden, die aus einem ähnlichen Zeitraum stammen.
Die Fundstelle Hornstaad-Hörnle ist eine typische Pfahlbausiedlung am Bodensee, die sich aber durch ihre außergewöhnlich gute Erhaltung und die beim Brand von den Bewohnerinnen und Bewohnern zurückgelassenen zahlreichen Objekte auszeichnet. Aufgrund der guten Erhaltungsbedingungen sind Hornstaad-Hörnle, ebenso wie Sipplingen-Osthafen, seit 2011 Teil des seriellen transnationalen UNESCO-Welterbes "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen". Im Rahmen von Rettungsgrabungen und Schwerpunktprogrammen der Deutschen Forschungsgemeinschaft konnte die Siedlung Hornstaad-Hörnle vom Landesamt für Denkmalpflege zwischen 1973 und 1980 sowie 1983 bis 1993 teilweise ausgegraben werden. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind in mehreren Bänden der Reihe „Siedlungsarchäologie im Alpenvorland“ und zahlreichen Artikeln publiziert. An den Arbeiten beteiligt waren auch Archäologen und Naturwissenschaftler des Landesamtes für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart, maßgeblich Priv. Doz. Dr. Elena Marinova-Wolff von der Arbeitsstelle für Feuchtboden- und Unterwasserarchäologie in Gaienhofen-Hemmenhofen.
Publikation
Mashes to Mashes, Crust to Crust. Presenting a novel microstructural marker for malting in the archaeological record
PLoS ONE. 7.5.2020
DOI: 10.1371/journal.pone.0231696