Auf dem höchsten Punkt des Grabungsareals ist das archäologische Team auf einen kompletten Hofplatz aus den ersten Jahrhunderten vor Christus gestoßen. Von den einstigen Holzhäusern zeugen heute noch die Spuren der Pfostenlöcher, die als dunkle Verfärbungen erhalten sind. »Aus der Anordnung der Pfostenlöcher können wir die Hausgrundrisse rekonstruieren«, erklärt Dr. Sven Spiong von der LWL-Archäologie für Westfalen, der die Ausgrabung betreut. »Daraus ergibt sich gewissermaßen der einstige Bebauungsplan.«
Dazu gehören mindestens drei kleine Speicherbauten, in denen Vorräte wie Getreide aufbewahrt wurden. Von einem langen rechteckigen Wohngebäude ist außer den Resten der Hauspfosten, die das Dach trugen, auch die Feuerstelle erhalten. Die Feuerstelle diente als Herd und spendete während der kalten Jahreszeit etwas Wärme in den schlecht isolierten Holzbauten. Ein weiterer Speicherbau am Ostrand der Grabungsfläche deutet eine zweite Hofstelle an, die allerdings schon zum großen Teil von jüngeren Einfamilienhäusern überbaut wurde.
Anlass für die Grabung ist die Erschließung eines neuen Baugebietes. Bereits im Vorfeld der Planungen vermutete die LWL-Archäologie an dieser Stelle ein Bodendenkmal: Die Lage auf einer leichten Erhebung war hochwassersicher und bot mit ihren fruchtbaren Böden und der gesicherten Versorgung mit Frischwasser schon in der Vergangenheit gute Voraussetzungen für Ackerbau und Viehzucht. Tatsächlich bestätigten bereits die ersten Probegrabungen diese Vermutung: An mehreren Stellen kamen Konzentrationen von Bodenverfärbungen zutage, die vorgeschichtliche Keramik enthielten.
Dieter Bommel von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Minden unterstreicht deshalb die Bedeutung von Auflagen bei einem vermuteten Bodendenkmal: »Die frühzeitige Einbeziehung der Bodendenkmalpflege bei der Erschließung neuer Baugebiete ermöglicht es, notwendige Ausgrabungen im Bauablaufplan zu berücksichtigen. Das gibt den Bauherren Planungssicherheit und verhindert Verzögerung bei den Baufortschritten.«
Außer den Hofplätzen untersuchen die Archäologen im Nordteil der Grabung ein Areal mit bisher über 20 Bestattungen. »Die Siedler verbrannten nach damaliger Sitte ihre verstorbenen Angehörigen und streuten den Leichenbrand samt den Überresten der mit verbrannten Beigaben in eine Grabgrube«, schildert Grabungsleiter Sebastian Düvel.
In zwei Fällen wurden Urnen als Bestattungsgefäße verwendet. Auch wenn ein Teil der dicht unter der Oberfläche liegenden Grabgruben durch den Ackerbau der letzten Jahr-hunderte schon zerstört wurde, verspricht die Analyse der verbrannten Knochenbruchstücke Aussagen über das Sterbealter, den Gesundheitszustand und die Herkunft der hier einst lebenden Bevölkerung.
Das zeitliche Verhältnis zwischen Gräberfeld und Siedlung wird sich eindeutig bestimmen lassen, wenn die geborgenen Holzkohlereste naturwissenschaftlich datiert sind. Den Zeitrahmen können die Experten aber anhand der Keramikfunde schon jetzt auf das 4. oder 3. Jahrhundert vor Christus bis zum 1. Jahrhundert nach Christus eingrenzen.
Historischer Hintergrund
Etwa im 6. oder 5. Jahrhundert vor Christus geben die Menschen die Gräberfelder entlang der Flussläufe auf, wo Generationen teilweise mehr als 1.500 Jahre ihre Verstorbenen bestattet haben. Gleichzeitig lassen sich seit dem 5. Jahrhundert vor Christus verstärkt Einflüsse aus der keltischen Zivilisation feststellen. So bekommt die nahe Minden liegende Wittekindsburg im 3. Jahrhundert vor Christus eine Mauer aus Bruchsteinen mit einer Holzkonstruktion im Kern, wie sie auch von keltischen Höhensiedlungen in Süddeutschland bekannt sind.
Gleichzeitig ändert sich das Siedlungsverhalten auch im Mindener Raum einschneidend: »Aus der gesamten Bronze- und älteren Eisenzeit, also zirka 2.200 bis 400 vor Christus, haben wir bisher keinen einzigen Hausgrundriss entdeckt und schließen daher auf eine Viehzüchtergesellschaft, die entlang der Flussläufe umherzieht« erläutert Spiong. »Dagegen sind aus der Zeit etwa ab dem 4. und 3. Jahrhundert vor Christus mehrere Siedlungsplätze bekannt, die am Hang nördlich des Wiehengebirges und auf den hochwasserfreien Arealen beiderseits der Weser und ihrer Zuflüsse liegen.«
Dabei handelte es sich vermutlich überwiegend um Einzelhöfe, die nur ein bis zwei Generationen bestanden. Diese »Siedlungsgungsareale« waren dann bis in die ersten vier Jahrhunderte nach Christus immer wieder mit Einzelgehöften bebaut. Die Fundstelle Am Grundbach bestätigt dieses Siedlungsmodell und ist daher eine weitere wichtige Quelle zur Erforschung der Vergangenheit.