Plattenhornsteine aus Arnhofen in der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage von Schiltern
im Bezirk Krems, Niederösterreich
Bereits im Jahre 2016 initiierten die beiden Amateurarchäologen Johann Böhm und Alois Huber auf einer freien Ackerfläche direkt am nördlichen Ortsrand von Schiltern in der niederösterreichischen Gemeinde Langenlois eine geomagnetische Prospektion. Das Areal war ihnen zuvor durch Luftbilder und zahlreiche Oberflächenfunde neolithischer Artefakte aufgefallen. Die Untersuchungsfläche liegt auf einer Lössinsel inmitten metamorpher Gesteinsserien der Böhmischen Masse.
Das Ergebnis war die Entdeckung einer neuen Kreisgrabenanlage mit drei Gräben und einer Innenpalisade (Abb. 1). Die jahrzehntelangen Aufsammlungen an der Oberfläche des Areals erbrachten neben vielen anderen Funden auch ein umfangreiches Silexinventar von insgesamt 561 Artefakten (Sammlung Mag. Alois Huber, Schiltern).
Sileximporte im Kreisgraben
Die Eigenversorgung mit den nötigen Silexrohstoffen erreichte in Schiltern rund 90 Prozent. Somit liegt der gesamte Anteil aller importierten Silexartefakte bei rund 10 Prozent (Abb. 2) Offenbar wurden Silexrohstoffe aus Bayern und Ungarn zur Herstellung besonderer Gerätschaften importiert. Aus Arnhofen bezog man die Plattenhornsteine für Sicheleinsätze; aus Tokaj Obsidian für extrem feine Einsatzklingen.
Nach dem Artefaktspektrum zu urteilen, wurden neben Fertigprodukten sicher auch bereits vorpräparierte Gesteinskerne importiert, aus denen die ortsansässigen Steinschmiede dann die entsprechenden Klingen abspalten konnten.
Ein Anteil von rund 4,6 Prozent am Gesamtinventar kann eindeutig dem Feuersteinbergwerk von Arnhofen im niederbayerischen Landkreis Kelheim zugeordnet werden. Die Stückzahl liegt bei 26 Artefakten. Es handelt sich ausnahmslos um die gebänderten Plattenhornsteine aus der Lagerstätte des Oberen Jura in der Südöstlichen Frankenalb. Die zentimeterstarken Platten mit meist beidseitig ausgebildeter, heller Gesteinsrinde zeigen die charakteristischen, planparallelen Bänderungen. Die typische Farbgebung liegt im weißgrauen bis graublauen Bereich. In seltenen Fällen, wie bei vorliegendem Restkern (Abb. 4.1) treten auch rötliche bis schwarze Farbtöne auf, die an Jaspis erinnern. Nicht umsonst nannte man früher die Arnhofener Hornsteine auch Jurajaspis. Die Bezeichnung Jaspis ist in diesem Zusammenhang aber irreführend, weil es sich in Arnhofen um reine Jurahornsteine, also organogene und untermeerische Bildungen handelt.
Im mikroskopischen Bild ist der Arnhofener Hornstein homogen und fein strukturiert. Dazu ist er nahezu fossilleer. Nur gelegentlich erkennt man Reste von Schwammstrukturen. Die Bänderungen entstehen u.a. durch unterschiedliche Einlagerungen von H2O (Wassermolekül) im Kristallgitter des SiO2-Verbandes (Kieselsäure). Die Arnhofener Plattenhornsteine gehörten zu den besten Silexrohstoffen in Mitteleuropa. Das hochwertige Material ermöglichte die Abspaltung langschmaler Klingen mit sehr feinen Schneiden. Demzufolge ist das Artefaktspektrum in Schiltern auf Klingenprodukte konzentriert. Neben Klingen-segmenten und einigen Kratzern, treten die typischen Einsatzklingen auf, die aus längeren Klingen gebrochen wurden (Abb. 4). Die wichtigste Verwendung war die seriale Bestückung von Erntesicheln. Einige der Klingen zeigen daher an der Schneide die entsprechenden Polituren und Glanzspuren (Lackglanz).
Wie die Arnhofener Hornsteine aus Bayern kamen auch die Obsidiane und Radiolarite aus Ungarn auf der Donauroute nach Niederösterreich. Das größte Herkunftsgebiet des vulkanischen Glases lag in der Region um Tokaj. Daran angrenzend finden sich Obsidiane auch im slowakischen Grenzgebiet zu Ungarn wie beispielsweise in Viničky.
Die Größenordnung des Importes von Obsidian liegt mit rund 4,3 Prozent am Gesamtinventar im Bereich der bayerischen Einfuhr.
Neben zahlreichen Abschlägen und Gesteinssplittern finden sich kleine, rasiermesserscharfe Klingen, die in geschäfteter Form hervorragende Messerchen für Feinarbeiten beispielsweise an Leder oder auch für die Befiederung von Pfeilen ergaben.
Die ungarischen Radiolarite aus den Baykony Bergen nahe dem Balaton sind nur mit zwei Exemplaren im Schiltener Silexmaterial vertreten. Weiterführende Aussagen sind daher nicht möglich. Ein Exemplar, ein kleines Segment, stammt aus dem bekannten Abbau von Szentgál.
Ein kleines Kontingent von vier neolithischen Artefakten konnte als sogenannter »Moränenfeuerstein« bestimmt werden. Als Synonyme werden die Begriffe »erratischer Feuerstein«, »glazialer Feuerstein« oder auch »Bryozoen-Feuerstein« verwendet. Die Herkunftsgebiete liegen an der »Feuersteinlinie«, die den Höchststand des nordischen Gletschervorstoßes vergangener Eiszeiten markiert. Diese feuersteinführenden Endmoränen finden sich u.a. in Nordmähren im Raum Olomouc (Olmütz).
Bei den Artefakten aus Feuerstein handelt es sich um Klingensegmente, die als Einsatzklingen gedient haben. Zu den Funden zählt auch ein kleiner Kratzer. Der Anteil am Gesamtinventar bleibt bei unter 1 Prozent.
Der überwiegende Teil der Artefakte in Schiltern ist der Gruppe der Roh- und Trümmerstücke, der Fragmente, der Abschläge und Präparationsabschläge zuzurechnen. Dabei treten hauptsächlich die heimische Silexrohstoffe auf. Dazu zählen die Vertreter der Quarz-Opal-Gruppe wie Chalcedone, Karneole, Quarze und Opale. Das Herkunftsgebiet dieser Gesteine liegt im Waldviertel. Untergeordnet gibt es auch Quarzite und eine kleine Gruppe von Hornsteinen und Radiolariten, die mit größter Wahrscheinlichkeit aus den Donauschottern oder aus Vorkommen der nahen Waschbergzone stammen dürften. Die bekannten Hornsteine aus Krumlovský Les in Südmähren und vom Stránská Skála in Brünn sind in der Gruppe der Jurahornsteine nicht eindeutig zu identifizieren.
Verbreitung der Arnhofener Plattenhornsteine
Die über Jahrzehnte betriebene Verbreitungsstudie von Arnhofener Hornsteinen in Mittel- und Osteuropa erreicht im Befund von Schiltern eine neue Tiefenschärfe. Das Auftreten von hochwertigen Einsatzklingen aus Plattenhornstein an der östlichen Peripherie des Arnhofener Verbreitungsgebietes in über 400 km Entfernung vom Abbaugebiet in einer mittelneolithischen Kreisgrabenanlage ist eine wichtige Zeitmarke im Gesamtbild des neolithischen Feuersteinbergbaus.
Das Feuersteinbergwerk von Arnhofen mit hochgerechnet rund 20.000 Schachtanlagen zählt damit zu den wenigen vorgeschichtlichen Industrieanlagen, die in dieser Frühphase des Bergbaus Verbreitungsradien der geförderten Rohstoffe in dieser Größenordnung aufweisen können.
Auch aus den nächstgelegenen Anlagen zu Schiltern wurden bereits in der Vergangenheit Einzelstücke gebänderter Hornsteine beschrieben. So fanden sich in der lengyelzeitlichen Siedlung mit Kreisgrabenanlage von Kamegg in der Marktgemeinde Gars am Kamp im Bezirk Horn unter den insgesamt 250 Silices zwei Artefakte aus gebändertem Hornstein aus dem Arnhofener Abbau. Desweiteren gab es Hinweise auf weitere Einzelstücke in der Siedlung der stichbandkeramischen Grabenanlage von Frauenhofen bei Horn. Auch aus einer Doppelbestattung in der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage von Friebritz, Bezirk Mistelbach, lag der Nachweis eines gebänderten Hornsteines vor. Schließlich erreichten Arnhofener Hornsteine ab der Linearbandkeramik über das Kamptal auch die neolithische Siedlungskammer des Horner Tertiärbeckens (Abb. 5).
Somit tritt erneut die Donau als Wasserstraße in Erscheinung. Über die Nebenflüsse konnten Handelsgüter auch abseits des Hauptstroms direkt in die jungsteinzeitlichen Siedlungsgebiete befördert werden. Aus den Verbreitungsbildern von Silexrohstoffen wird zudem deutlich, dass das Flussnetz ein tragendes Infrastrukturelement der neolithischen Austauschsysteme bildete.
Literatur
Binsteiner, A.,Die Lagerstätten und der Abbaubayerischer Jurahornsteine sowie deren Distribution im Neolithikum Mittel- und Osteuropas. Jahrb. Röm.Germ. Zentralmuseum Mainz, 52, 2005, 43-155.
Binsteiner, A., E. M. Ruprechtsberger, Otto H. Urban, Die Rohstoffanalyse jungsteinzeitlicher Silexinventare im Raum Linz und in Oberösterreich. Arch. Korrbl. 38, 2008, 477-491.
Binsteiner, A., Die Verbreitung der Arnhofener Plattenhornsteine im Alt- und Mittelneolithikum entlang der Donauroute nach Niederösterreich. Beiträge zum Tag der NÖ Landesarchäologie, 2016, 6-11.