Ein Berufsverband für die Archäologie
CIfA Deutschland
Die Archäologie boomt: Hohe Aufmerksamkeit in den Medien und gute gesellschaftliche Reputation, seit langem brechend volle Auftragsbücher bei vielen Fachfirmen, fast schon überlastete Ämter. Ideale Zeiten also für fähige Archäologen, Aussicht auf feste Anstellung und gutes Gehalt, oder? Mitnichten. Viele Kollegen hangeln sich – oft unwissend scheinselbstständig – von einem schlecht bezahlten befristeten Vertrag zum nächsten, verzichten auf Familienplanung und Wohneigentum, oft jahrelang, bis man»s aufgibt und lieber außerhalb des Fachs seine Brötchen verdient. Vergleiche zeugen von einem erschreckend niedrigen Lohnniveau für viele in der Archäologie Beschäftigten.
Während intensiver Debatten wurde im Laufe des Jahres 2017 immer deutlicher, dass die Gemeinschaft der Archäologen aufhören sollte, die Probleme zu negieren oder vor allem zu jammern und Hilfe von außen zu erwarten. Es gilt, selbst aktiv zuzupacken, die archäologische Praxis zu verbessern und die Arbeitsbedingungen aller Archäologen. Es gilt, einen fairen Wettbewerb zu schaffen. Denn nur so werden »schwarze Schafe« vom Markt verschwinden, Löhne steigen, Arbeitsbedingungen besser werden und das »Produkt Archäologie« auch für Investoren und die Gesellschaft als Ganzes nachvollziehbar besser werden. Dafür ist die Organisation aller Archäologen in einem Berufsverband notwendig: CIfA Deutschland bietet an, dieser Berufsverband zu sein.
CIfA: ein weltweit führender Archäologie-Berufsverband
Im Sommer 2017 hat der große Berufsverband »Chartered Institute for Archaeologists« (CIfA) mit Sitz in Großbritannien ein Unterstützungsangebot an die Kollegen in Deutschland gemacht und ist finanziell in Vorleistung getreten; nun formiert sich schrittweise ein deutscher Berufsverband: CIfA Deutschland. CIfA ist einer der beiden weltweit größten Berufsverbände im Bereich Archäologie und Bodendenkmalpflege (der andere ist das RPA in den USA). CIfA wurde 1982 gegründet und hat heute weltweit ca. 3.500 persönliche Mitglieder und 75 akkreditierte Organisationen, meist Grabungsfirmen, aus 39 Ländern.
Qualitätsstandards für einen fairen Wettbewerb und gegen Dumping
Der besondere Fokus des CIfA liegt auf der fachinternen Qualitätskontrolle. Denn nur, wenn für alle – egal ob an Universitäten, Museen, in Grabungsfirmen, Ämtern oder als Freiberufler – die gleichen Maßstäbe gelten, ist ein fairer Wettbewerb möglich; nur dann kann es beispielsweise ein Ende der vielfach in den Diskussionen angesprochenen unseriösen, aber im Wettbewerb um Aufträge erfolgreichen Dumpinganbieter geben. Auch archäologische Institutionen (Universitäten, Ämter, Museen etc.) können auf diesen Kriterienkatalog Bezug nehmen, danach agieren und so Einfluss auf die Qualität der archäologischen Arbeiten nehmen. Neben der Selbstverpflichtung jedes CIfA-Mitglieds sind daher Beurteilungen von Fachkollegen und die Kontrolle der Einhaltung der von CIfA aufgestellten Regeln wichtig. So kommt es immer wieder vor, dass die Mitgliedschaft beim CIfA nach einer Zuwiderhandlung gegen den Kodex nach einem sorgsam geregelten Verfahren wieder entzogen wird. Diese Selbstregulierung ist wichtig, denn nur so kann eine CIfA-Mitgliedschaft ein auch für Auftraggeber und Investoren verlässliches und nutzbringendes Qualitätssiegel werden.
Wir haben doch viele Verbände. Wieso braucht es noch einen?
Jeder Verein oder Verband hat seine spezielle Ausrichtung. Doch niemand in Deutschland kümmert sich übergreifend vor allem um den Beruf Archäologie, z.B. um die vielen Kollegen in den Firmen, die Freiberufler in Museen oder die Vielen mit Wissenschaftszeitverträgen an den Universitäten, um eine gute Praxis der Archäologie, und auch um das Wohlsein der Archäologen, um die Professionalität im Wortsinne. Seit mehr als 30 Jahren verfolgt CIfA die Idee, für alle in der Archäologie Tätigen, also auch z.B. auch Grabungstechniker, Anthropologen, Restauratoren usw., Qualitätsstandards für den Beruf Archäologie zu definieren, sie durchzusetzen und intern wie nach außen zu garantieren. Nicht von außen verordnete Maßstäbe, sondern Standards, die die Gemeinschaft aller Archäologen selbst gemeinsam entwickelt und setzt. CIfA vertritt den ganzen Berufsstand, unabhängig vom beruflichen Status als Mitarbeiter oder Chef, von der formalen Qualifikation und der fachlichen Ausrichtung, unabhängig von dem Aspekt öffentlicher Dienst / Firma / private Institution / selbständig oder auch ehrenamtlich. Auch Firmen können CIfA-Mitglieder werden. Dieser ganzheitliche Ansatz unterscheidet CIfA deutlich vom Konzept einer Gewerkschaft oder einem reinen Arbeitgeber- oder Arbeitnehmer-Verband.
Die fachinterne Ethik eines Berufsverbandes
Dreh- und Angelpunkt der fachinternen Kontrollfunktion von CIfA ist der ethische Verhaltenskodex (Code of conduct), zu dessen Einhaltung sich alle akkreditierten Mitglieder verpflichten. CIfA-Mitglieder halten die für alle gleichen hohen ethischen und fachlichen Standards ein. Das schafft die Grundlage für einen fairen Wettbewerb der Fachfirmen und Selbständigen. Die CIfA-Akkreditierung ist ein Gütesiegel – vergleichbar etwa dem Demeter-Siegel. Investoren, Auftraggeber und Kunden der Archäologie, die selbst meist kein facharchäologisches Know-How haben, gewinnen mit diesem Qualitätssigel »akkreditiertes CIfA-Mitglied« ein zuverlässiges Erkennungsmerkmal für garantierte fachliche und ethische Qualität archäologischer Arbeit. Arbeitnehmer werden vor allem bei Firmen und Institutionen anheuern wollen, die CIfA-zertifiziert sind. Unseriöse Anbieter werden die Akkreditierung nicht erreichen, gegebenenfalls wird sie ihnen nach einem geregelten Verfahren wieder aberkannt. Nur so kann am Ende für alle auch ein angemessenes Lohnniveau erreicht werden, kann die (Selbst)Ausbeutung ein Ende finden. Nicht zuletzt: CIfA erwartet von allen akkreditierten Kollegen den Nachweis, fachlich »à jour« zu bleiben, sich kontinuierlich fortzubilden, und es erwartet von den akkreditierten Institutionen, egal ob Amt, Universität oder Grabungsfirma, ihren Mitarbeitern dazu die Gelegenheit zu bieten. Gemeinsam immer besser werden ist das Ziel, für sich selbst und für die Gesellschaft.
Wie wird man Mitglied?
Eine CIfA-Mitgliedschaft ist in verschiedener Ausprägung möglich: entweder ohne Akkreditierung als einfaches Mitglied oder Student, oder mit Akkreditierung in eine der drei Stufen PCIfA, ACIfA oder MCIfA, je nach der nachgewiesen erreichten fachlichen Kompetenz (s. »Kompetenzmatrix“). Die für Akkreditierung notwendigen Kompetenzen beziehen sich nicht nur auf Ausbildung und Studium, eine wissenschaftliche Tätigkeit oder den konkreten Arbeitseinsatz, sondern sie berücksichtigen z.B. auch den Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen, die Umsetzung von Gesetzen und Vorschriften und die Korrektheit der Archäologie den Bürgern und Auftraggebern gegenüber.
Was ist CIfA Deutschland?
CIfA Deutschland ist die Gruppe der in Deutschland tätigen CIfA-Mitglieder, derzeit eine »area group« des internationalen CIfA. Seit Sommer 2017 unterstützt CIfA den Aufbau dieser Gruppe und stellt dazu u.a. eine halbe Personalstelle zur Verfügung. Ein Gründungsvorstand, dem auch die Unterzeichner angehören, arbeitet am weiteren Auf- und Ausbau von CIfA Deutschland. So sollen möglichst bald alle Dokumente in deutscher Sprache bereitstehen und die Akkreditierung komplett auf Deutsch möglich sein. Aufgrund seiner bereits erreichten Mitgliederzahl ist CIfA Deutschland seit Februar 2018 stimmberechtigtes Mitglied des internationalen CIfA. Mittelfristiges Ziel ist die Gründung eines Verbandes in Deutschland, der mit dem »Mutterverband« in Großbritannien durch abgestimmte Zielsetzungen und Vorgehen verbunden ist, aber auch eine eigenständige Entwicklung durchlaufen kann. Nähere Informationen und Downloads wie z.B. der ethische Kodex, die Kompetenzmatrix oder Mitgliedsanträge finden sich unter www.cifadeutschland.de Als Kontakt ist die Gründungsvorsitzende Michaela Schauer unter cifa.deutschland(at)archaeologists.net erreichbar. Interessierte und weitere Mitglieder sind herzlich willkommen!
Mehr Information
Gerry Wait (2017). Das „Chartered Institute for Archaeologists“: Der systematische Aufbau von Professionalität, Macht und Einfluss in Archäologie und Denkmalpflege. Archäologische Informationen 40, 2017, 121-130: http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/42472
Gerry Wait & Michaela Schauer (2017). Der Gründungsprozess von CIfA Deutschland als Berufsverband – Anlass, Hintergründe und Zukunftsvision. Archäologische Informationen 41, Early View, online publiziert 9. Nov. 2017: http://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Wait_Schauer.pdf
Die DGUF-Jahrestagung am 4. Juli 2017 „Ein Berufsverband für die Archäologie?“ – alle Vorträge im Video: https://www.youtube.com/channel/UC-x2PkaXl-pZCBx08U0ncGw/featured
Fortlaufende Informationen zu CIfA Deutschland auch im monatlich erscheinenden, kostenlosen Newsletter der DGUF; zum Abonnement geht es hier: http://www.dguf.de/49.html