Friaul unter den Langobarden
Lässt sich anhand der Forschungsgeschichte zeigen, dass römische und spätantike Ursprünge bei friulanischen Burgen und deren Bautradition fragwürdig sind und warum sie immer wieder gesucht wurden, sind bei einigen Befestigungsanlagen im Friaul langobardische Vorgängerbauten nicht von der Hand zu weisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei archäologischen Untersuchungen der näheren Zukunft ähnliche Befunde ergeben, ist hoch. Anhaltspunkte für die Entstehung eines Adelssitzes aus einem langobardischen Hof sind bisher aber nur aus der friulanischen Ebene bekannt. Dort können wiederum auch römische Vorgängerbauten in Betracht gezogen werden. Der Entwurf der Genese dieser Adelssitze basiert auf historischen Überlieferungen, während nur wenige archäologische Quellen zu Siedlungen und Befestigungen vorliegen und meist Grabfunde, die der langobardischen Einwanderung zuzuordnen sind, der Beweisführung dienen.
Ein Beispiel für einen langobardischen Ursprung ist die bereits von Paulus Diaconus erwähnte Curtine Lavariano bei Strassoldo (BUORA et al. 1993, 106, 113-116), die allerdings keine Beziehung zu einer Höhenburg besaß und durch morastiges Sumpfland geschützt wurde. Im Zuge der langobardischen Landnahme entwickelte sich hier auf den nicht unbedeutenden Resten der römischen villa rustica des Laberius die mittelalterliche curtine Lavariano, die wohl an einen langobardischen Heerführer vergeben wurde (Ulmer 1993, 149; RIZZI 1975, 62, 73ff). Als Vorbesitzer wurde 776 Valdarianus von Lavariano erwähnt, der in einer Schlacht an der Brenta unter Herzog Hrodgaud gegen Karl den Grossen (*02.04.742, † 28.01.814) ums Leben kam. Sein von den Franken eingezogener Besitz erhielt ein Gefolgsmann des Königs, der uns mit einzelnen Werken als Dichter bekannt gewordene und mit artis grammatice magister bezeichnete, spätere Patriarch Paulinus II. (* vor 750, † 11.01.802). Es war üblich, dass Kronvasallen des westfränkischen Reiches die königlichen Rechte und Aufgaben in den Grafschaften (s.u.; PITZ 1990, 230) übernahmen. Bayern und Schwaben kamen in diesem Zuge erstmals in größerer Zahl nach Norditalien.
Besagter Paulinus übertrug Lavariano in Allodialbesitz, zu dem es später, wie andere Güter in der fruchtbaren Ebene, nicht mehr gehörte. Wahrscheinlich wurden diese von Ludwig I. (*778, † 20.06.840, der Fromme) an die langobardischen Eigner oder deren Rechtsnachfolger zurückgegeben.
Aufgrund solcher Überlieferungen und entsprechender baulicher Reste ist es notwendig, die Darstellung der historischen Zusammenhänge bei der Errichtung der Burgen an der Ostgrenze der Mark Friaul und des italienischen Königreiches, mit der Zeit der Langobarden zu beginnen. Deren Machtzentrum war die Stadt Cividale/Castrum Forum Julii, welche beim Einfall der Langobarden im Jahre 568 offenbar ohne größeren Widerstand genommen wurde, so dass dieses an sich bedeutende Ereignis keine größere Erwähnung fand. Hierher hatte sich nach der Zerstörung Aquileias durch Attila 452 die Provinzregierung von Venetia et Histria zurückgezogen. Der Ort hatte den Rang einer civitas inne, woher sich der Name Cividale (del Friuli) ableitet (CORBANESE 1984, 122-144).
Das langobardische Herzogtum befand sich immer in Konflikt mit den Byzantinern, den Awaren und Slawen. Der erste Dux, Gisulf, ein Neffe Alboins (König 560/565-572/573), soll die Langobarden nach Italien geführt haben, wo sie ab 568 die Poebene, den Großteil der Toscana und Spoleto eroberten. Was Paulus Diaconus, Warnefrieds Sohn (*720/730, † um 799), in den Gesta episcoporum Mettensium und der Historia Langobardorum ansonsten über die Errichtung des Dukat/Herzogtum berichtet, gehört (bei allen Qualitäten der Quelle) ins Reich der Legende (CHIESA 2001, 45-66). Diese territoriale Formierung war aber elementar für die Begründung von Königreich und der die Königsmacht konsolidierenden societas von 584 (CAPITANI 2001, 25-44). Die Herzöge von Friaul beriefen sich stets auf Alboin und konkurrierten vor allem im späten 7. Jh. mit den Lethingen (Inhaber der königlichen Lanze; LexMA 5, 708-709). Nach Gisulf II. († 653) sank ihr Einfluss, eine direkte Erbfolge fand nicht mehr statt. Nur Pemmo und seine Söhne, Ratchis und Aistulf, leiteten auf einem Höhepunkt des langobardischen Herzogtum Friaul im 8. Jh. nochmals eine dynastische Erbfolge ein, die Bischof Callixtus nötigte, seinen Sitz von Cormons nach Cividale zu verlegen und den Patriarchentitel von Aquileia anzunehmen.
Der fränkischen Eroberung wagte sich allein Friaul unter Rotcaus († 776) zu widersetzen, nach dessen Tod der langobardische Adel abermals den Franken wich (CORBANESE 1984, 142-153). Karl der Große besiegte Ende des 8. Jahrhunderts die Langobarden unter Desiderius und inthronisierte als Herzog Hrodgaud. Nachdem dieser sich gegen ihn wand, wurden die letzten langobardischen Herzöge in Gebiete nördlich der Alpen deportiert, eine Mark gebildet (828 geteilt) und fränkische Herzöge belehnt. Die Macht des Patriarchen in Cividale hingegen festigte sich als wichtiger Ausgangspunkt für die Christianisierung der Slawen, die in der zweiten Hälfte des 6. Jh./Anfang des 7. Jh. über die Karpaten in die von den Langobarden 586 aufgegebenen kroatischen Gebiete und Unterpannonien eingewandert waren (CORBANESE 1984, 315-335/VINGO 2001) - als Reaktion auf einfallende Awaren unter den wohl turksprachigen, reiternomadischen Khaganen oder in deren Gefolge in einer militärisch-wirtschaftlichen Symbiose.
Diese Bewegungen erstreckten sich bis Osttirol, wo Herzog Tassilo I. (591/592 + 595) und sein Sohn Garibald schwere Niederlagen hinnehmen mussten (Aguntum/Dölsach bei Lienz, 610; HENNING 2002, 141). Das vom 6. Jh. bis zum Ende des 8. Jh. währende Awarenreich wird in den letzten Jahrzehnten wurde wahrscheinlich von den Slawen dominiert. Diese gewannen mit der Lösung vom Awarenreich 626 und der Besiedlung Pannoniens einen Ausgangspunkt für die Landnahme in Mittel- und Südosteuropa, nachdem bereits größere Gruppen gefangener Slawen nach alemannischen und langobardischen Kriegszügen im Friaul wie in Thüringen angesiedelt worden waren. Sie erreichten das Murbecken und das Kärntner Zoll- und Lurnfeld, die Alpentäler bis zum westlichen Pustertal, Mur, Mürz und Enns im Norden, den Tagliamento im Süden bis auf die Höhe von Grado/Adriaküste und von dort aus Krain (STENNER 1997, 18f).