Homo sapiens auf dem Vormarsch
Die unlängst veröffentlichte Neubewertung der Datierungsansätze an der Fundstelle der Venus von Willendorf in der Wachau geht davon aus, dass der moderne Mensch weit früher als bislang gedacht über den Donaukorridor nach Mitteleuropa eingewandert ist. Die neuen Daten verraten uns, dass der Homo sapiens bereits um 43.500 vor heute in Niederösterreich an der Donau auftauchte. In einer Bodenschicht konnten im Willendorfer Lössprofil kleine Feuersteinlamellen geborgen werden, die dem Zeitalter des Aurignacien zugeordnet werden.
Neben den Feuersteinfunden spielen im Aurignacien aber auch Kunstgegenstände und Schmuck eine entscheidende Rolle. Hier gibt es vor allem aus den Höhlen der Schwäbischen Alb die allseits bekannten Elfenbeinschnitzereien.
Wenigen Forschern ist dagegen eine neue Freilandfundstelle im oberösterreichischen Bezirk Perg bekannt. Neben Hunderten von Silexartefakten, unter denen sich auch Leitformen des Aurignacien bestimmen ließen, fanden sich auf der lössbedeckten Niederterrasse der Donau nahe der Ortschaft Weinzierl auch echte Raritäten des Eiszeitalters.
In die Schale einer versteinerten Herzmuschel wurde höchstwahrscheinlich mit einem Feuersteinmesser mittig eine kleine Lochung angebracht. Dazu wurde am Wirbel des sogenannten Schlosses solange vorsichtig eingeschnitten, bis der Kalk durchbrochen war (Abb. 2,1). Man kann sich gut vorstellen, dass dieses besondere Schmuckstück an einem dünnen Lederband um den Hals getragen wurde oder an der Lederkleidung aufgenäht war. Auch die Herkunft des Fossils lässt sich gut eingrenzen. In den relativ nahegelegenen Tertiärablagerungen um Eggenburg und des Wiener Beckens finden sich zahlreiche Arten der Cardiummuschel.
Besonders fragile Artefakte sind die kleinen Dentaliumröhrchen. Auch Dentalium zählt zu den marinen Weichtieren (Mollusken), die häufig in den Ablagerungen des Tertiärs zu finden sind. Charakteristisch sind ihre spitz zulaufenden Gehäuse, die ihnen auch den Namen gaben. Bei der Herstellung des Schmucks wurde der obere Teil des Gehäuses abgesägt, sodass der untere Abschnitt als eine Art röhrenförmige Perle verwendet werden konnte (Abb. 2,2).
Auch hier ist ein Lederband vorstellbar, auf das die kleinen Perlen aufgefädelt waren. Ob man das um den Hals trug oder am Handgelenk, muss offen bleiben. Auch wäre eine Haartracht denkbar, in die diese Kalkröhrchen eingearbeitet waren.
Der nächste Schritt wäre jetzt, mit viel Glück eine zugehörige und intakte Kulturschicht mit datierbaren Überresten aufzuspüren. Das ist nur mit einer archäologischen Grabung möglich. Erst dann wird sich zeigen, ob die Fundstelle von Perg-Weinzierl in den neuen zeitlichen Rahmen des Aurignacien an der Donau passt.
Publikation
Späte Altsteinzeit im Linzer Raum. Die Silexanalyse von Perg-Weinzierl (Sammlung Helmut Ardelt).
Linzer Archäologische Forschungen, Sonderheft 43. Linz 2009