DFG und Europäischer Forschungsrat über Open-Access-Publizieren in der Archäologie
Vertreter von zwei zentralen Forschungsförderern – der DFG und dem Europäischen Forschungsrat (ERC) – haben auf der DGUF-Jahrestagung 2014 und in ihren dazu jüngst erschienenen Publikationen dargelegt, dass der Umbau des wissenschaftlichen Publikationswesens in Richtung Open Access unabwendbar ist. Sie fordern die Archäologie dazu auf, diesen Prozess nicht abwartend und passiv zu erdulden, sondern ihre besonderen Bedürfnisse zu reflektieren, sich aktiv zu verbünden und den Forschungsförderern pragmatische Lösungen vorzuschlagen. Nur so ließen sich geeignete Rahmenbedingungen gestalten, gute Traditionen bewahren und die notwendige Unterstützung für den Wandel einwerben. Die beiden Aufsätze können in den Archäologischen Informationen im Open Access nachgelesen werden.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gehörte 2003 zu den Erstunterzeichnern der »Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen«, in der namhafte internationale Forschungsförderer den freien und kostenlosen Zugang für alle Bürger zu den Ergebnissen von Forschungsprojekten forderten, die mit öffentlichen Mitteln bezahlt wurden. Seitdem hat die DFG dieses Ziel schrittweise verbindlicher in ihre Forschungsförderung integriert. Der Germanist Johannes Fournier, Programmdirektor für den Förderbereich »Elektronische Publikationen« bei der DFG und Ansprechpartner der DFG für das Thema Open Access, hat nun seinen auf der DGUF-Tagung in Berlin am 6. 10. 2014 gehaltenen Vortrag in der Fachzeitschrift Archäologische Informationen publiziert – naheliegenderweise im Open Access, kostenlos und frei zugänglich.
Darin legt Fournier dar, dass für die DFG spätestens seit 2006 das Publizieren im Open Access ein wichtiges Anliegen an alle von ihr geförderten Projekte ist. Zwar sei das Prinzip Open Access derzeit in den Lebens- und Naturwissenschaften stärker verinnerlicht, aber es betreffe auch die Geisteswissenschaften einschließlich der Archäologie. Dabei gehe es nicht nur um den für alle Bürger kostenlosen Zugang zu wissenschaftlicher Literatur, sondern auch um eine international weiter reichende und schnellere Verbreitung neuer Erkenntnisse sowie um eine bessere Dokumentation und Erhöhung der Nachvollziehbarkeit von Forschungsergebnissen (Open Data). Sein Aufsatz stellt die aktuellen Maßnahmen und unterschiedlichen Förderprogramme der DFG pro Open Access umfassend vor, die in Summe darauf abzielen, bei der Durchsetzung von Open Access die unterschiedlichen Fächerkulturen zu wahren und auch die sehr unterschiedlichen Interessen der Beteiligten (Autoren, Verlage, Bibliotheken, Förderer, Bürger) fair zu berücksichtigen. Aus Sicht von Fournier gibt die DFG zwar die generelle Richtung vor und nimmt zentrale Aufgaben zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Nachhaltigkeit wahr, appelliert aber gemäß ihrem Selbstverständnis als Selbstorganisation der Wissenschaft an die einzelnen Disziplinen – eben auch an die Archäologie –, ihre besonderen Bedürfnisse und Möglichkeiten selbst aktiv abzuklären und als Wünsche und Anträge in die DFG einzubringen.
Kritik an der passiven Haltung vieler Geisteswissenschaften
An diesen Appell knüpft der Aufsatz des Historikers Nicholas Canny in den Archäologischen Informationen an, der ebenfalls aus einem Vortrag auf der DGUF-Jahrestagung 2014 in Berlin hervorgeht. Canny ist Leiter der Arbeitsgruppe Open Access beim Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC). Der ERC wurde von der Europäischen Kommission im Jahr 2007 gegründet und ist für die Umsetzung aller EU-Programme zur Grundlagenforschung zuständig. Canny umreißt in seinem Beitrag zunächst den enthusiastischen Einsatz und die Aktivitäten des ERC für das Publizieren im Open Access. Anschließend geht er auf die besonderen Bedingungen des geisteswissenschaftlichen Publikationswesens ein, das s. E. durch geringere Abonnementskosten für gedruckte Zeitschriften geprägt ist, durch im Vergleich zu den Naturwissenschaften längere Texte, durch eine längere Nutzungsdauer (Zitationsdauer) von Publikationen sowie durch größere Hemmnisse, das Zeitschriftenwesen neu über Publikationsgebühren zu finanzieren.
In Anerkennung solcher Besonderheiten appelliert Canny an die geisteswissenschaftlichen Disziplinen, ihre besonderen Bedürfnisse aktiv zu reflektieren und zu benennen, sich auf europäischer Ebene zu bündeln und geeignete Rahmenbedingungen, Lösungen und Geschäftsmodelle vorzuschlagen, die den Erhalt der wirklich wichtigen Traditionen zukunftsfähig sichern. Dazu könnten aus seiner Sicht auch fachspezifische elektronische Archive (»Repositorien«) gehören, die – für Nutzer leichter durchsuchbar – die notwendigen Retro-Digitalisate älterer Zeitschriften (-aufsätze) aufnehmen und vor allem auch als Bildarchive dienen. Denn das bei Open-Access-Publikationen für Geisteswissenschaftler besonders wichtige und sensible Thema der Rechte und Verfügbarkeit für Bilder bedürfe dringend einer pragmatischen Lösung. Aus Sicht von Canny sollten sich die Herausgeber archäologischer Zeitschriften und Monografien auf europäischer Ebene zusammentun und mit den großen Museen um Bilder und Bildrechte verhandeln mit dem Ziel, viele für wissenschaftliche Publikation benötigte Bilder als Pool in ein frei nutzbares Open-Access-Repositorium einzustellen. Sie sollten es den Museen und Fotografen als Rechteinhabern aber offen lassen, viele andere Bilder weiterhin im Schutz des Copyrights zu belassen und damit auch Geld zu verdienen. Canny kritisiert die bisher passive Haltung vieler Geisteswissenschaften im Bereich Open Access und ermuntert die Archäologie dazu, ihre Rahmenbedingungen aktiv mitzugestalten.
Einordnung
Beide Texte dürfen durchaus als offizielle Botschaften der DFG und des ERC an die Adresse der Archäologie gelesen werden, sie sind eines gründlichen Nachdenkens wert. Zugleich haben sie den Charakter des oft gehörten »ihr müsstet mal« – und an Empfehlungen dieses Typs aus dem Munde verschiedenster Interessenvertreter mangelt es chronisch überlasteten Institutionen kaum, weshalb eine Abwehrhaltung nur allzu verständlich wäre. Doch die Autoren wollen offenbar eine Archäologie aufrütteln, die (wie etwa ein Blick nach Großbritannien zeigt) eine wichtige Debatte und Entwicklung zu verschlafen in Gefahr war. Auch der Kölner Dom wurde nicht an einem Tag erbaut, aber es existierte von Anbeginn an ein Bauplan, der Orientierung gab. Es ist an der Zeit, diesen Bauplan gemeinsam zu finden, und sich dann Stein für Stein dem Bau zu widmen. Die Aufsätze von Fournier und Canny sowie das konkrete DGUF-Modell des Open Access könnten eine erste Grundlage sein, eine Debatte und gemeinsames Vorgehen zum Thema Bildrechte wären ein guter nächster Schritt.
Info & Literatur
Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen /
Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities (2003).
http://openaccess.mpg.de/Berlin-Declaration [1.3.2015].
Fournier, J. (2015). Open Access und Open Data. Positionen und Perspektiven der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 20. Febr. 2015.
http://www.dguf.de/index.php?id=9 [1.3.2015].
Canny, N. (2015). Opening Access to Archaeology. Archäologische Informationen, Early View, published online 6 Febr. 2015.
http://www.dguf.de/index.php?id=9 [1.3.2015].
Open Access und Open Data verändern die Archäologie: Erfahrungen, Reflexionen, Strategien.
Programm der DGUF-Tagung vom Oktober 2014.
http://www.dguf.de/index.php?id=336 [1.3.2015].