Alle Jahre wieder:
Die Grabungen am Dünsberg 2003
Auch im Jahre 2003 haben wieder Grabungen am Dünsberg stattgefunden: wie bei diesem wohl einmaligen Projekt üblich, mit sehr geringer "professioneller" Leitung und ansonsten ehrenamtlichen Archäologie-begeisterten Helfern. In fast drei Monaten wurden von diesen rund 1300 unbezahlte Arbeitstage geleistet - ein gewaltiges Sponsoring! Beteiligt waren 145 Personen aus 19 Nationen.
Neben Deutschland waren die Länder Frankreich, Italien, Spanien bzw. Baskenland, Rußland, Korea, Slowakei, Neuseeland, Ghana, Indien, Hong Kong, Mexiko, Dänemark, Polen, Schweden, USA und Lettland vertreten. Durchschnittlich waren rund 25 Personen pro Tag beteiligt. Es wurden an drei verschiedenen Stellen drei unterschiedliche Quellengattungen untersucht: die Siedlung am Osthang des Dünsberg, die Wasserstelle Schulborn im Norden sowie ein von Raubgräbern zerstörtes Gräberfeld ca. 5 km westlich des Dünsbergs.
Besiedlung am Ostsporn
Der Ostsporn ist eine relativ ebene zungenförmige Ausbuchtung im Ostteil des Dünsberg innerhalb des mittleren Ringwalls. Hier entlang führt ein fast geradliniger Fußweg vom Parkplatz zum Gipfel durch das Tor 9. Am Rand dieses Weges wurden 1965 mit Bodenfräsen zwei Kabelgräben zum Sendeturm gelegt. Innerhalb einer "1,20 m tiefen Grube von 60 bis 70 cm Durchmesser", in deren Umfeld sich weitere Gruben und Pfosten befanden, konnten große Mengen von verkohltem Getreide geborgen werden. Anhand der Keramik sowie einer 14C-Datierung auf 100-50 cal BC weisen die Funde in die Spätlatènezeit [1]. Zudem zeigen die Fundkartierungen von Jacobi, Schlott und Schulze-Forster, die meist illegal ausgegrabene Funde umfassen, Konzentrationen am Ostsporn [2].
Zudem konnte, ebenfalls anhand von "Einzelfunden", eine "dichte Fundstreuung" aus alamannischer Zeit - v.a. Waffen - festgestellt werden; dabei handelt es sich entweder um eine "alamannische Gauburg des 4./5. Jahrhunderts" [3] oder um Kampfhinterlassenschaften [4]. Hierbei ist festzuhalten, dass bei der Grabung 2003 kein einziger alamannischer Fund zutage kam [5].
In der Zeit vom 1. Juli bis 20. September wurden im Bereich des Ostsporns an drei verschiedenen Stellen Grabungen durchgeführt. Im höchstgelegenen westlichen Schnitt 33 wurde der aus dem "Schlachtfeld" bekannte Laacher Bims in mächtiger Ablagerung angetroffen; im mittleren Schnitt 32 wurde der Übergang zweier Podien erfasst. Der östliche Schnitt 31 / 35 / 36 liegt am östlichen Rand des Ostsporns unmittelbar vor dem Materialgraben; sowohl das Tor 9 als auch ein weiter Bereich des Walles ist von hier sichtbar. In diesem Bereich ist die größte Befund-Dichte zu vermerken, ebenfalls die größte Menge an verkohltem Getreide und an Hüttenlehm.
Leben mit Blick auf Wall und Tor: die Fläche 31/35/36
Bereits oberflächig sowie im ersten Planum der 50 m2 großen Fläche 31 kamen zahlreiche Fundstücke zutage, v.a. Keramik und viel Rotlehm. Im 2. Planum wurden bereits einzelne Konzentrationen von Rotlehm erkennbar, und im 3. und 4. Planum grenzten sich zahlreiche Befunde durch eine dunkle, holzkohlehaltige Färbung vom umgebenden Substrat ab. Dabei konnte an vielen Stellen verkohltes Getreide in großer Menge festgestellt werden. Die Befunde wurden daraufhin geschnitten. Zu unterscheiden waren deutliche, große Pfostengruben, kleinere Pfostengruben sowie einige Verfärbungen, deren Befundcharakter fraglich bleibt.
Bei der Fläche 35 wurde in zwei Schritten die Planumstiefe erreicht, in der sich einige Befunde abzeichneten. Besonders in der NW-Ecke befand sich eine schwarze Verfärbung von ungewöhnlicher Größe, die aber über die Flächengrenzen hinausreichte. Aus diesem Grund wurde sukzessive die Fläche 36 geöffnet, um den großen Befund 196 vollständig zu erfassen. Insgesamt umfasst der hier ergrabene Bereich rund 86 m2.
Bemerkenswert bei fast allen Befunden ist das Vorkommen von verkohltem Getreide, meist in großen Mengen. Eine erste Untersuchung von A. Kreuz, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, ergab eine Bestimmung als überwiegend vierzeilige Gerste. Es handelt sich also um gesiebtes Erntegut für große Mengen von Vorräten, die hier gelagert wurden und offenbar in einem gewaltigen Schadensfeuer verbrannten.
Überhaupt fanden sich in dem gesamten Bereich deutliche Spuren eines Brandes - neben dem Getreide und Holzkohle auch große Mengen an Hüttenlehm, teilweise verbrannte Keramik sowie in geringen Resten verbrannte Knochen [6]. Ob dieser Brand mit dem "Ende" der Oppidum-Besiedlung zusammenhängt, ist nicht ausgeschlossen.
An besonderen Funden aus diesem Bereich sind zu nennen: eine halbe Glasperle, eine Nauheimer Fibel in zwei Hälften; ein Befund enthielt große Mengen von verkohltem Getreide sowie große Rotlehmbrocken. Einige wenige Mahlsteinfragmente stammen aus der Osthälfte der Fläche. Im Oberflächenbereich der Fläche 36 kam ein Silberquinar vom "Nauheimer Typ" zutage.
Die halbe Ringperle aus braunem translucidem Glas mit gelben Schraubenfäden ist der bislang erste bekannte Fund aus braunem Glas vom Dünsberg, entspricht aber in der Form der blauen Ringperle aus der Grabung 2002. Als Vergleich ist etwa das Ensemble aus Wederath Grab 1216 (Lt D1) zu nennen [7]. Überhaupt datieren die Ringperlen überwiegend in die Stufe Lt D1.
Während Glasarmringe im hessischen Raum gut bekannt sind [8], sind Ringperlen weniger stark verbreitet, wobei es doch einige Belege im Oppidabereich und aus Gräbern und Siedlungen um den Dünsberg herum gibt [9].
Ohne dass die Keramik bislang näher beurteilt werden könnte, deuten die chronologisch bestimmbaren Funde - Glasperle, Nauheimer Fibel, Münze - auf eine Datierung in die Stufe Lt D1.
Befund 196 ist mit ca. 3,2 x 2,2 m und einer Tiefe von fast 1,50 m unter Oberfläche die größte Grube, die am Dünsberg bislang ergraben wurde. Die Wände waren relativ steil; durch teilweise fast sterile Schichtpakete war die tatsächliche Sohle zunächst (d.h. in der SO-Ecke, vor Erweiterung der Fläche) nicht erreicht worden. Diese zeichnete sich schließlich durch sehr festen Boden, wohl anstehenden Fels aus, auf dem unmittelbar eine dünne Brandschicht auflag. Innerhalb der Füllung waren weitere Bereiche mit Holzkohle feststellbar. Die Seitenwände bestanden überwiegend aus lockerem Schotter, was die Abgrenzung erschwerte.
Innerhalb der Verfüllung konnten zwei Fibeln geborgen werden (1x Nauheimer Fibel, 1x sehr feine Drahtfibel vom Spätlatèneschema) sowie ein großes vollständiges Webgewicht. Möglicherweise kann dies einen Hinweis auf die Funktion der tiefen Grube geben - es könnte sich um ein Grubenhaus handeln, das allerdings extrem stark eingetieft wäre. Pfostenspuren konnten auf bzw. unter der Sohle nicht festgestellt werden.
Eine Zuordnung der sicher mehrphasig belegten Strukturen zu einzelnen Hausgrundrissen erweist sich als schwierig. Die Tiefe der Pfosten variiert schon aufgrund des leicht nach Osten abfallenden Geländes; die Art der Verfüllung weist nur in wenigen Fällen Auffälligkeiten auf, und die Form und Größe der Befunde ist recht unterschiedlich. Dennoch deutet sich eine Anordnung verschiedener Befunde in einer leicht im Uhrzeigersinn gedrehten N-S- und O-W-Achse an. Weitere Aufschlüsse kann zunächst nur die Bearbeitung des Fundmaterials geben, über das möglicherweise die zeitliche Abfolge oder über Anpassungen Gleichzeitigkeiten innerhalb der Befunde zu bestimmen ist. Zur Klärung wäre eine ergänzende Untersuchung des Bereiches westlich und südöstlich der Flächen wünschenswert.
Zwei Podien in Folge: die Fläche 32
Bei der mittleren Fläche mit einer Größe von und 92 m2 wurde der Übergang zwischen zwei oberflächlich erkennbaren Podien erfasst. Im Vergleich zu den beiden anderen Grabungsstellen war hier der Boden steiniger und die Kulturschicht dünner. Die Befunde zeichneten sich weniger deutlich ab als im östlichen Grabungsbereich; besonders unklar waren die Strukturen unterhalb der Hangkante, also in der östlichen Hälfte.
Im Mittelteil, der Hangkante entsprechend leicht NW-SO-orientiert, war die Fundkonzentration geringer; einige Steine am Südrand ließen hier zunächst eine Hangbefestigung vermuten, allerdings spricht ihre Lage unmittelbar unter der Oberfläche sowie das Vorkommen von Befunden unterhalb dieser Steine dagegen; Scherbenkonzentrationen fanden sich jedoch auch unmittelbar unter der Oberfläche. Möglicherweise muss hier mit stärkerer Erosion gerechnet werden.
Zudem sorgten einige Baumwurzeln für Störungen; in der östlichen Wurzel kam ein Silberquinar vom Typ Sch. 56, "Wulst-Rinnen-Prägung", zum Vorschein; die Münze datiert in die Stufe Lt D1; eine weitere Silbermünze, ein "Tanzendes Männlein" der Stufe D2a, stammt ebenfalls aus dieser Fläche. Die Wurzeln dieses Baumes füllten weitgehend eine Grube aus, die sich als sehr fundreich erwies.
Trotz dieser Einschränkungen konnten auch in dieser Fläche einige Pfostenspuren erkannt werden. Die Zuordnung zu Hausgrundrissen ist jedoch unsicher.
Zu erwähnen sind zwei rote Verfärbungen, die auf Hitzeeinwirkung hindeuten; letzter zeichnete sich sehr deutlich als rundes rotes Lehmpflaster ab; die Steine unterhalb des roten Lehms waren nicht sicher intentionell gesetzt, und der Befund war unter der Verfärbung nicht weiter zu verfolgen. Wenig oberhalb wurde ein bronzenes Fibelfragment geborgen; Fuß und Nadel fehlen. Es ähnelt aufgrund seines breiten Kopfbereiches mit Kerbzier einer Schüsselfibel, ist aber eine Nauheimer Fibel mit sehr breitem Bügel [10].
Ohne zunächst die Keramik einbeziehen zu können, deutet sich durch eine der Münzen ein etwas jüngerer Fundhorizont an als im sonstigen Bereich der Grabung 2003. Als "Kuriosum" kann eine wohl neolithische Axt genannt werden, die aus dem Abraum der Fläche stammt. Deutlich ist die Bohrung erhalten, die geschliffene Oberfläche des Stückes ist jedoch bis auf einen sehr kleinen Teil abgeschlagen. Möglicherweise wurde das Stück sekundär als Klopfstein verwendet.
Hausbau auf weichem Untergrund: die Fläche 33
Die ca. 55 m2 große Fläche unterscheidet sich deutlich von den anderen Flächen durch den hier auf dem anstehenden Kieselschiefer auflagernden Laacher Bims, der eine besondere Fund- und Befunderhaltung hervorruft: Bronze ist deutlich besser erhalten als im Kieselschiefer-Substrat; aufgrund des weichen, deutlich steinärmeren Bodens ist die Keramik meist geringer zerscherbt als in den anderen Flächen.
In dem feinen, fast staubigen Boden waren jedoch bis in die unteren Plana keine Befunde abgrenzbar; hingegen fanden sich zahlreiche Funde ohne erkennbare Verfärbungen. Andere Konzentrationen von Holzkohle oder Getreide lösten sich nach wenigen Zentimetern wieder auf. Lediglich kurz vor dem Erreichen der anstehenden Felsschicht bzw. auf dieser Schicht zeichneten sich Befunde ab, die meist in den Fels eingetieft waren. Bei den meisten Strukturen handelte es sich nur um wenige Zentimeter - wahrscheinlich reichte dies aus, um den Pfosten in dem weichen Material Halt zu geben.
Besonders zu erwähnen ist ein Befund, der sich im 4. und 5. Planum durch eine Konzentration von Steinen gegenüber dem sonst eher steinfreien Boden abgrenzte. Es handelte sich um verbrannte Fragmente einer runden Basalt-Drehmühle aus Eifel-Basalt sowie einzelne plattige Kieselschiefersteine, die hier in etwa rund-ovaler Anordnung aufgefunden wurden.
Nur sehr schwach war eine Verfärbung erkennbar, die auch verkohlte Getreidekörner enthielt. Ab der Oberkante der Steine war der Befund noch ca. 30 cm tief erhalten, aber ohne deutliche Grenzen. Rund 2,30 m südöstlich befand sich ebenfalls im 4. Planum eine runde Ansammlung von plattigen Kieselschiefersteinen. Im Profil war keine weitere Verfärbung mehr erkennbar. Möglicherweise handelt es sich hier um eine Art Basis für Pfosten, um diesem in dem weichen Boden Stabilität zu verleihen.
Im Südostteil der Fläche konnte eine fast 2 m breite, mindestens 3 m lange und rund 1,80 m tiefe Struktur erfasst werden. Davon reichen etwa 1,20 m unter die Grenze zum anstehenden Fels, wurden also mit relativ steilen Wänden in diesen eingetieft. Die Verfüllung war im oberen Bereich stark holzkohlehaltig und konzentrierte sich um einen etwa in der Mitte befindlichen vierkantigen Pfosten, der zu einem großen Stück verkohlt und daher in situ erhalten war. Ähnlich wie bei Befund 196 weist auch dieser Befund auf eine Mehrphasigkeit hin.
Innerhalb der großen Grube fanden sich große Mengen an Funden - allein rund 850 Scherben, die sich teilweise zu vollständigen Gefäßen ergänzen lassen, ein bronzener Gürtelring, eine Nauheimer Fibel sowie - 70 cm tiefer, auf der Sohle zwischen Steinen eingeklemmt - eine bronzene Fibel vom Mittellatèneschema mit 7schleifiger Spirale. Ebenfalls im Sohlenbereich kam ein vollständiges Ringgriffmesser mit geschwungenem Blatt zum Vorschein. Ein zweiter verkohlter Holzpfosten fand sich im Zentrum eines weiteren Befundes, 4,40 m vom erstgenannten entfernt [11].
Aus dieser Fläche stammen die meisten Bronzefunde (s.u.). Bedeutsam ist v.a. das Fußstück einer Aylesfordpfanne (Eggers 130), eines im 1. vorchristlichen Jahrhundert in Oberitalien hergestellten und von dort importierten Bronzesiebes. Bislang stammen vom Dünsberg zwei Griffenden [12], beide unter illegalen Fundumständen geborgen und ohne Fundort-Angabe. Die Form gehört zum typischen "Oppida-Spektrum" und ist zudem ein deutlicher Hinweis auf die "soziale" Umgebung des mediterranen Importgeschirrs.
Aus Fläche 33 stammt auch das zweite bislang vom Dünsberg bekannte Glasarmringfragment . Das schmale Stück mit D-förmigem Querschnitt ist kobaltblau translucid und trägt auf der Außenseite eine gelbe Zick-Zack-Fadenauflage. Dazu ist eine Parallele aus Bad Nauheim zu nennen [13].
Die Funde
Bei den fast 11.000 geborgenen Fundstücken in 3200 Positionen (Fundtüten) handelt es zu zu drei Vierteln um Keramik. Mengenmäßig folgen Rotlehmfragmente. Mit rund 250 Bodenproben konnte eine wichtige Fundgruppe erfasst werden; archäobotanische Untersuchungen werden sowohl Aussagen zu Anbauweise, Vorratshaltung und Ernährung zulassen als auch weiterführende Erkenntnisse im Vergleich der einzelnen Fundstellen und weiterer zeitgleicher Fundplätze.
Da das Fundmaterial bislang nicht untersucht ist, können nur einige statistische Aussagen zum Vergleich der Grabungsareale getroffen werden.
Setzt man die Fundmenge in Bezug zur Flächengröße, so stammt fast die Hälfte aller Funde aus Fläche 33. Die große Funddichte dort wurde bereits erwähnt; dabei spielen sicher auch die größere Tiefe des anstehenden Felsens sowie der materialreiche Befund 217 eine Rolle.
Besonders deutlich unterscheidet sich aber auch die Qualität der Funde: Die relative Bronzemenge überwiegt in Fläche 33 sehr deutlich, wohingegen die Menge des Eisens etwa der der Keramik entspricht. Hingegen lassen die Rotlehmfragmente und damit die direkten Siedlungsanzeiger ein starkes Überwiegen im östlichen Grabungsbereich erkennen.
Die Wasserstelle - Dendrodatierung am Schulborn
1907 wurden die Holzeinbauten am Quellhorizont des Schulborns freigelegt und skizzenhaft dokumentiert sowie fotografiert. Die erhaltenen Funde (v.a. Keramik, 3 Spinnwirtel, Eisennagel, Knochenpfriem) sowie eine Umzeichnung der Dokumentation wurden von J. Schulze-Forster vorgelegt [14].
Ziel der erneuten Freilegung war die Gewinnung von Dendrodaten, um eine absolute Datierung der Einbauten zu erhalten sowie der schon anhand des Planes zu vermutenden verschiedenen Bauphasen. Zudem plante der Dünsberg-Verein eine Rekonstruktion des ca. 14 x 4,5 m großen Brunnenkastens; dies wurde unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten auch durchgeführt, und der Schulborn gibt nun in anschaulicher Weise das Erscheinungsbild der Wasserstelle in keltischer Zeit wieder.
Nach der Entfernung des in den letzten 100 Jahren eingeschwemmten Materials zeigte sich, dass die 1907 angetroffenen Hölzer tatsächlich noch vorhanden waren - einschließlich der auf den beiden Fotos erkennbaren Stapel von Brettern, die von den Arbeitern offenbar bei der Freilegung entnommen bzw. lose in der Verfüllung angetroffen worden waren.
Lediglich die massiven Pfosten der leicht versetzt zum Kasten befindlichen Reihe waren nicht mehr vorhanden. Nach der Freilegung und Dokumentation wurden 32 Holzproben dendrochronologisch von Dr. Th. Westphal, Universität Frankfurt, untersucht.
Eine erste Benutzungsphase muss es bereits im 4./3. Jahrhundert gegeben haben, wie die älteste Holzdatierung eines Stückes ohne Bauverband vermuten lässt. Zwei senkrecht in den tiefsten Becken steckende Hölzer ergaben Fälljahre um 200 bzw. 165 v.Chr.
Im Jahr 134 v.Chr. (Sommerwaldkante) wurden Eichen für ein älteres Becken außerhalb der Befestigung gefällt, das vom späteren äußeren Wall überbaut wurde, denn das Becken zieht eine unbekannte Distanz unter den hier wegen modernen Wegebaus nur flach erhaltenen Wall. Reparaturbohlen stammen aus den Jahren 127 v.Chr. bzw. 118 v.Chr. (Frühjahrswaldkante).
Im Schutz des neu errichteten äußeren Walles, der annexartig mit rechtwinkligem Knick die Wasserstelle umschließt, wurde um 100 v.Chr. über der bis heute fließenden Quelle ein größeres Wasserreservoir errichtet. Auch dieses Becken besitzt mehrere Reparaturphasen, deren jüngste bei 74 bzw. 73 v.Chr. (±10 bzw. um/nach) liegen.
Die relativ kurze Zeitspanne zwischen spätester Reparatur des ersten Beckens sowie Errichtung des jüngeren Beckens erlaubt auch eine Eingrenzung für die Bauzeit des äußeren Walles, der das Oppidum umschließt, an dieser Stelle, mit einer Genauigkeit von annähernd 15 Jahren auf die Wende vom 2. zum 1. Jahrhundert v.Chr.
Zerstörtes Gräberfeld im Helfholz
Während der Grabung am Dünsberg wurde ein keltisches Gräberfeld im Helfholz, etwa 5 km in Luftlinie westlich bei Biebertal-Königsberg gelegen, untersucht. Bekannt geworden war die Stelle durch Sondengänger, die in einer benachbarten mittelalterlichen Wüstung zufällig ein keltisches Grab gefunden hatten und anschließend das Gräberfeld lokalisierten. Einige besonders bedeutende Funde wurden im Kunsthandel angeboten [15].
Ein Informant wies K.-F. Rittershofer schließlich auf die genaue Stelle hin, sogar mit Lokalisierung bestimmter Funde bzw. Gräber. Angeblich reichen die Funde von der Früh- bis in die Spätlatènezeit; zumindest Mittel- und Spätlatènezeit sind durch Funde belegt [16]. Die genaue Ausdehnung ist bislang nicht bekannt, obwohl systematische Begehungen gemacht wurden.
Raublöcher kommen über den ganzen Hang verteilt vor, allerdings liegt oberflächig auch viel Munition. Leichenbrand und Keramik konnte nur im Bereich am Weg festgestellt werden. Ebenfalls nicht lokalisiert werden konnten die angeblich zwei Ustrinen bzw. Verbrennungsplätze, die sich "unterhalb" befinden sollen.
Die Gräber liegen unmittelbar nördlich einer Fernverbindung (der im Mittelalter als "Rennweg" bekannten Straße) im leicht ansteigenden Gelände. Insgesamt konnte eine Ausdehnung von mindestens 64 m in Nord-Süd-Richtung bestimmt werden. Oberflächig sind mindestens 2 Grabhügel und mindestens 2 Grabgärten erkennbar (möglicherweise handelt es sich auch ausschließlich um Grabgärten mit zentralen Erhebungen). Die Strukturen sind insgesamt stark verflacht und schwer abzugrenzen.
Deutlich waren jedoch zahlreiche Raubgräber-Löcher, die teilweise fast 1 m im Durchmesser aufwiesen und bis 40 cm tief waren. Leichenbrand, Keramik und teilweise auch Bronze- und Eisenreste fanden sich im Umkreis dieser Störungen. In zwei verschiedenen Flächen, in denen sich die Raublöcher konzentrierten, wurde ein erstes Planum angelegt. Die relativ dicht stehenden Fichten und Buchen erschwerten durch ihr Wurzelwerk eine planmäßige Ausgrabung enorm.
Aufgrund der geringen Personalbesetzung und der nur langsam fortschreitenden Arbeiten wurde nach dem ersten Planum die östliche Fläche aufgegeben. Bis dahin waren lediglich zahlreiche Raublöcher gesäubert sowie ein Grabhügel in zwei Quadranten ergraben worden. In der westlichen Fläche dagegen konnten bereits im ersten Planum weitere Störungen sowie auch ungestörte Gräber lokalisiert werden. Nach deren Bergung wurde ein weiteres Planum angelegt, das jedoch keine weiteren Erkenntnisse brachte.
1. GESTÖRTE GRÄBER
Etwa 13 meist komplett zerstörte Gräber waren durch teils tiefe Löcher und verstreute Leichenbrand-Fragmente sowie teilweise Reste von Keramik und Metallbeigaben erkennbar. Weitere Reste konnten in einigen Fällen durch die Nachgrabung geborgen werden.
2. UNGESTÖRTE GRÄBER
Lediglich drei ungestörte Gräber konnten noch freigelegt und dokumentiert werden. Bei Befund 28 fanden sich einige Scherben und Leichenbrand im Planum. Eine große Wurzel zog mitten durch das Gefäß hindurch, bis auf den nördlichen Bereich war der Randverlauf überall feststellbar; in der Mitte befanden sich weitere Scherben; in der extrem harten Verfüllung fand sich in der Mitte ein faustgroßer Stein.
Erst relativ bodennah erschien der Leichenbrand, auch in etwas größeren Stücken. Ein kleines Eisenfragment lag nahe dem Boden. In der rechten Bodenhälfte fehlte eine große Bodenscherbe, was wahrscheinlich nicht durch einen Tiergang bzw. eine Wurzelstörung erklärbar ist; offenbar ist für die Helfholz-Urnen typisch, dass ein Stück vom Boden fehlt [17].
Bei Befund 30 handelt es sich um ein Grab mit einer vollständigen Schüssel mit Leichenbrand, meist in sehr kleinen brüchigen Fragmenten.
Ein weiteres vollständiges Gefäß wurde in Befund 31 freigelegt, dokumentiert und danach eingegipst. Oberflächig wurden bereits ein Eisenfragment und ein Spiralfragment einer Bronzefibel erkannt.
3. GRABHÜGEL, GRABGÄRTEN
Im Gelände sind sehr schwache anthropogene Bodenveränderungen als flache Wälle, Gräbchen und Hügel erkennbar.
Befund 10 ist ein flacher Grabhügel von ca. 5 m Durchmesser; an dieser Stelle wurden als erstes massive Raublöcher mit Keramik und Leichenbrand entdeckt. Daher enthielt dieser Hügel wahrscheinlich mehrere, nur wenig in die Oberfläche des Hügels eingetiefte Gräber. Zwei gegenüberliegende Quadranten wurden bis zum anstehenden Boden abgetieft, die Profile dokumentiert. Die (unsicher zu bestimmende!) Grenze zum anstehenden Boden lässt vermuten, dass hier vor Anlage des Hügels bereits eine sanfte natürliche Erhebung erkennbar war. Unter dem Hügel bzw. auf der Sohle des Hügels wurde offenbar kein Grab angelegt.
Befund 22 ist ein oberflächig erkennbarer Grabhügel. Im NW-Quadrant fand sich nur ca. 10 cm unter der Oberfläche im Kuppenbereich eine Ansammlung von Leichenbrand und feiner roter Keramik; es war keine Anordnung oder Verfärbung erkennbar. Aus Zeitgründen konnte nur im NW-Quadrant weitergegraben werden; die Grenze zum anstehenden Boden ist auch hier unklar, aufgrund fehlender Funde wurde dieser aber wohl schon sehr bald erreicht.
Befund 24 ist ein großer flacher Grabhügel oder Grabgarten mit ca. 8,5 m Durchmesser.
Befund 25 schließt nördlich an die Grabungsfläche an; es handelt sich um einen 7-8 m großen Bereich mit flachem Wall, innenliegendem Graben und flach erhöhter Innenfläche.
Befund 26 schließt wiederum nördlich an Befund 25 an; der mindestens 8 m im Durchmesser große Bereich besitzt ebenfalls eine flach erhöhte Innenfläche.
4. SONSTIGES
Befund 29 - unmittelbar unter Planum 1 wurde eine kleine vollständige Schale freigelegt. Weder darin noch im Umfeld fand sich Leichenbrand. Es war keine Verfärbung zu erkennen, auch unter dem kleinen Gefäß nicht.
Folgende Ergebnisse der Helfholz-Grabung sind zu vermerken:
Mindestens 20 Gräber, überwiegend gestört, wurden lokalisiert. Entgegen der Raubgräberaussage, es handele sich um Brandschüttungsgräber, konnten im untersuchten Bereich ausschließlich Urnengräber festgestellt werden.
- Leichenbrand, Keramik und Fragmente von Metallbeigaben konnten den von Raubgräbern zerstörten Gräbern teilweise noch zugewiesen werden.
- Einige ungestörte Gräber ohne größere Metallbeigaben konnten vollständig geborgen werden.
- Die verbrannten Knochen wurden wohl nicht vollständig ausgelesen (meist war zu wenig Leichenbrand vorhanden), in einem Gefäß deponiert und in eine nur gering tiefe Grube in Grabhügeln oder Grabgärten oder im Bereich zwischen diesen deponiert. Meist handelt es sich um eine einfache Schüssel; ein Teil des Bodens fehlte regelmäßig (?). Ein Stein wurde möglicherweise oben auf dem Leichenbrand deponiert.
Durch die Raubgrabungen der vergangenen Jahre sind - neben den bedeutenden Fundstücken, die dem Kunsthandel oder Museen bereits angeboten wurden - wichtige Erkenntnisse zum Bestattungsritual unwiederbringlich verlorengegangen!
Ausblick
Die Kampagne 2003 war mit den drei Untersuchungen im Siedlungszentrum, an einer mehrphasigen Wasserstelle sowie in einem Gräberfeld äußerst erfolgreich. Die unterschiedlichen Quellengattungen und das umfangreiche Fundmaterial werden wichtige Aufschlüsse zur Lebensweise der Kelten des Dünsbergs zulassen.
Derzeit finden wieder Grabungen am Dünsberg statt, ebenfalls mit großem Engagement der Ehrenamtlichen vor Ort und aus aller Welt. Dafür bedanken wir uns, wie auch bei unseren zahlreichen Sponsoren, ohne deren finanzielle und materialle Unterstützung das Projekt nicht existieren könnte.
Die herausragenden Funde und Befunde der aktuellen Grabungskampagne werden demnächst an dieser Stelle bekannt gegeben. Wir hoffen, dass die Forschungen weitergeführt werden können und freuen uns auf neue, begeisterte Teilnehmer und viele Besucher.
Fußnoten
A. Kreuz/M. Hopf, Ein Gerstenfund vom keltischen Oppidum Dünsberg bei Gießen. In: S. Hansen/V. Pingel (Hrsg.), Archäologie in Hessen. Neue Funde und Befunde. Festschr. F.-R. Herrmann. Stud. Honoraria 13 (Rahden/Westf. 2001) 165-169. - Demnach befinden sich die Unterlagen im Amt Marburg. Bei J. Schulze-Forster wird die Keramik unter Taf. K40-K49 abgebildet mit Verweis auf Fundber. Hessen 5/6, 1965/66, 145. Verbleib: Oberhess. Mus. Gießen. Zudem fraglich zugehörig der Ring Nr. 1087. ↩
Schulze-Forster 2002 Abb. 97: Lt (B2-) C1 mit Kleidung/Schmuck und Werkzeug und Gerät; Abb. 103: Nauheimer Fibeln (Lt D1) waren vor der Grabung 2003 dagegen nicht belegt. Trinkhornenden der Stufe Lt D2 kommen hingegen wieder konzentriert am Osthof vor (Abb. 107). ↩
F.-R. Herrmann, Der Dünsberg bei Gießen. Arch. Denkmäler Hessen 60 (Wiesbaden 2000). ↩
G. JACOBI, Die Metallfunde vom Dünsberg. Mat. Vor- u. Frühgesch. Hessen 2 (Wiesbaden 1977); freundl. Mitt. B. Steidl, München. ↩
Vorbehaltlich einer noch nicht erfolgten Keramik-Auswertung. ↩
Aufgrund des sauren Bodens am Dünsberg (Kieselschiefer bzw. Laacher Bims) sind abgesehen von verbrannten Resten keine Knochen erhalten. ↩
A. Haffner, Gräber - Spiegel des Lebens. Schriftenr. Rhein. Landesmus. Trier 2 (Mainz 1989) 66 Abb. 43; 68 Abb. 44; vgl. auch 54 Abb. 34. ↩
M. Seidel, Die jüngere Latènezeit und ältere Römische Kaiserzeit in der Wetterau. Fundber. Hessen 94, 1994, 80-87. ↩
M.-A. Zepezauer, Mittel- und spätlatènezeitliche Perlen. Glasperlen der vorrömischen Eisenzeit III. Marburger Stud. Vor- u. Frühgesch. 15 (Marburg 1993) Taf. 3,9-11 Karte 10: Schwerpunkt im Rhein-Main-Gebiet bis in die Wetterau; S. 54 Gruppe 4.3.2 mit 20 Exemplaren, meist aus Manching, dazu Grab 85 aus Bad Nauheim mit eiserner Fibel im Spätlatèneschema sowie in Hofheim Grab 7, ebenfalls Lt D1. Liste S. 174 f.: Beilstein LDK, Grabfund vom Heidetränk-Oppidum. - R. Gebhard, Der Glasschmuck aus dem Oppidum von Manching. Ausgr. Manching 11 (Stuttgart 1989) Gruppe VII B, z.B. Taf. 53,798; Gebhard erwähnt die Möglichkeit der Spätdatierung bis in die Stufe Lt D2, wobei aber der Hinweis auf den Horizont der Nauheimer Fibel beweiskräftiger ist (ebd. 179). ↩
Von der Form her gut vergleichbar: Striewe Taf. 23,D2 aus Südfrankreich, Pomas-Roffiac d´Aude 996. ↩
Beide wurden eingegipst und im Block geborgen; leider konnte trotz einer Härtung im RGZM, wofür wir uns herzlich bedanken, keine dendrochronologische Analyse durchgeführt werden. ↩
Schulze-Forster 2002, 90 f. Kat.Nr. 724-725. ↩
M. Seidel, Keltische Glasarmringe aus dem nordmainischen Hessen. In: Festschrift für Otto-Herman Frey (Marburg 1994) 563-582 hier 577 Kat.Nr. 14 (Var. 3b nach Haevernick) mit Abb. 1,9. Das Stück wird allerdings als dunkelblau opak beschrieben, während unser Armring translucid ist. ↩
Schulze-Forster 2002 Abb. 14 Taf. K1-K8. ↩
Vgl. Schulze-Forster 2002 Abb. 98. ↩
Ebd. 150 Abb. 98,1. ↩
Dies wurde K.-F. Rittershofer von beteiligten Raubgräbern berichtet. ↩