Aizanoi
Eine Stadt im Widerstreit zwischen lokalen Wurzeln und äußeren Einflüssen
Die Grabungen des DAI im phrygischen Aizanoi erbrachten in den letzten Jahren vor allem neue Erkenntnisse zur Vorgeschichte der Stadt. Für die Anlage des Zeustempelbezirks war ein prähistorischer Siedlungshügel gekappt worden. Der Tempel steht unmittelbar auf den Resten einer Siedlung aus der 1. Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. Von besonderem Interesse ist ein fast 12 m langes und 6 m breites Gebäude dessen Steinpodium in Resten erhalten ist.
Die ungewöhnliche Größe und die durch das Podium herausgehobene Position des Bauwerks lassen auf eine besondere Bedeutung der Anlage schließen, vielleicht als Versammlungs- oder Kultstätte. Die nahezu unerforschte bronzezeitliche Besiedlungsgeschichte dieser Region erhält mit den durch 14C-Analysen absolut datierten Bauresten aus Aizanoi und umfangreichen stratifizierten Funden nun erstmals konkrete Fixpunkte.
Ins Licht der Geschichte tritt Aizanoi mit den durch kaiserzeitliche Inschriften überlieferten Landschenkungen der Könige Attalos I. von Pergamon und Prusias I. von Bithynien. Erst die Freilegung von Resten eines reich ausgestatteten hochhellenistischen Hauses an der Südecke des Tempelplateaus erbrachte Hinweise auf einen erstaunlich hohen Standart griechischer Kultur in den abgelegenen anatolischen Bergen.
Da das Gebäude um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. durch einen Brand zerstört wurde, hat sich das Inventar fast vollständig erhalten. Krüge, Teller und Näpfe - Gebrauchskeramik von guter Qualität, die einheitlich in die 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. datiert werden kann, geben Zeugnis von bestimmten Organisationsstrukturen in diesem Haus. In einem weiteren Raum des Hauses lagerte das Briefarchiv des Hausherrn, wie über 50 Tonsiegel zeigen.
Mit diesem Befund wird die Zeit, in der sich die hellenistischen Könige im phrygischen Grenzland engagierten und den die Grundlagen für den späteren Aufstieg von Städten wie Aizanoi schufen, erstmals archäologisch greifbar. Die Beziehungen Aizanois zu Pergamon zeigen sich vor allem bei Kunstwerken, wie einem weiblichen Statuettenkopf, der wahrscheinlich in einem Raum des Hauses aufgestellt war. Stilistische Eigenheiten verbinden ihn mit der hochhellenistischen Kunst aus Pergamon. Und auch das Kultbild des Zeus von Aizanoi, erhalten als Bronzekopie aus römischer Zeit, zeigt erstaunliche Parallelen etwa mit der Darstellung des Teuthras auf dem Telephos-Fries des Pergamon-Altars. All dies belegt schon in der 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. eine hellenisierte Oberschicht, deren Kultur vergleichsweise plötzlich eine einfache, lokal geprägte spätphrygische Keramikproduktion ablöst.
Der Bau des gewaltigen Zeustempelbezirks begann früher als bisher angenommen, d.h. möglicherweise noch im 1. Jh. n. Chr. Das neue Theaterstadion wurde nötig, da ein älteres Theater den ehrgeizigen Plänen der lokalen Aristokratie weichen musste. Viele seiner Teile fanden sich als Spolien in einem Sitzstufenbau, vermutlich einem Buleuterion.
Am Ende des laufenden Forschungsabschnitts in Aizanoi steht ein komplexes Modell der Stadtentwicklung - vom prähistorischen Siedlungshügel über die Phase der Hellenisierung, den Umbau zur römischen Stadt mit Tempeln, Thermen und Theaterstadion bis hin zur Verlagerung der Siedlungsschwerpunkte ins Umland in spätrömischer Zeit. Ergebnis der langjährigen Forschungen ist das facettenreiche Bild einer Stadt im Widerstreit zwischen ihren anatolischen Wurzeln und äußeren Einflüssen unter hellenistischer, römischer oder byzantinischer Herrschaft, wie es für viele Orte der Region exemplarisch sein dürfte.
(Quelle: DAI Berlin)