Zwischen mächtigen Nachbarn
"Wie gingen die Iberer mit dieser Situation um, wie navigierten sie als kleines Land zwischen den Großreichen?", fragt Prof. Dr. Timo Stickler von der Universität Jena. Der Althistoriker möchte gemeinsam mit Dr. Frank Schleicher einige Forschungslücken zu Iberien schließen. Ziel ist eine Darstellung der Geschichte Iberiens, die den Ansprüchen aktueller wissenschaftlicher Forschungen genügt. Ihr Projekt trägt den Titel "Iberien in der Spätantike – ein Kleinstaat im Spannungsfeld zweier Imperien", es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 270.000 Euro gefördert. Die Erforschung der Geschichte Iberiens soll sich auf die Zeit von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis zum Jahr 627 nach Christus konzentrieren. Wie Frank Schleicher erläutert, geht es um die Zeit von der Entstehung des neupersischen Reiches der Sassaniden bis zur Eroberung von Tiflis im Jahr 627 durch den oströmischen Kaiser Herakleios.
Die Iberer beherrschten die Kaukasuspässe und konnten sich deshalb den Hunnen und anderen Steppenvölkern wie den Alanen in den Weg stellen, die in den Ebenen nördlich des Kaukasus siedelten. Doch zuweilen seien auch Bündnisse mit den Reiternomaden geschlossen worden. Erforscht werden soll im Zusammenhang des Projektes auch, wie sich – bezogen auf Persien und Byzanz – das Verhältnis zwischen imperialen Zentren und peripheren Kleinstaaten wie eben Iberien gestaltete.
Die Forschungslage zu Iberien in jener Zeit sei recht unübersichtlich, sagt Dr. Schleicher. Als Standard gelten vielfach immer noch die Arbeiten von Cyril Toumanoff (1913-1997), der einer georgischen Adelsfamilie entstammte. Toumanoff hat georgische Schriften ausgewertet und u. a. eine Chronologie der Herrscherfamilien aufgestellt. Aber es gebe bei kritischer Betrachtung einige Ungereimtheiten, sagt Dr. Schleicher. Er verweist auf die griechisch-römischen Überlieferungen, die mit den georgischen Quellen nicht immer übereinstimmen. Beispielsweise seien bei Toumanoff in nicht georgischen Quellen genannte iberische Könige teilweise unberücksichtigt. Zudem wurden in den letzten Jahrzehnten einige Inschriften gefunden und es kam bei archäologischen Grabungen neues Material hinzu.
"Es fehlt eine kritische Gesamtbetrachtung zur Geschichte Iberiens", sagt Prof. Stickler. Genau die sei das Ziel des neuen DFG-Projekts. Die Jenaer Althistoriker können dabei auf kompetente Partner setzen: Sie wollen mit den Kaukasiologen der Universität Jena ebenso kooperieren wie mit Mittelalter-Historikern und Theologen. Im Sommer nächsten Jahres soll es zudem einen internationalen Kongress in Jena geben. Eingeladen wurde u. a. Stephen H. Rapp, ein US-amerikanischer Historiker, der als weltweit führender Spezialist für die frühe georgische schriftliche Überlieferung gilt. Frank Schleicher möchte zudem mit Kollegen in Georgien zusammenarbeiten, Forschungsreisen sind fest eingeplant.
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