Zwei fast zweitausend Jahre alte Schuhleisten und ein "Flip-Flop"
Bei den laufenden archäologischen Ausgrabungen am Oberwinterthurer Kastellweg, dem früheren zivilen Kleinstädtchen Vitudurum, werden seit mehreren Monaten einige hundert Jahre Siedlungsgeschichte aus der Römerzeit freigelegt. Dank der hohen Bodenfeuchte konnten sich in einer geologischen Senke organische Materialien wie Holz und Leder sehr gut erhalten. Bauhölzer von Pfosten- und Riegelbauten, Holzkanäle und holzverschalte Gruben konnten so ausgegraben und dokumentiert werden. Beim Ausnehmen einer Latrinengrube aus dem 1. Jh. n. Chr. wurde in einer Ecke zunächst eine linke Schuhleiste entdeckt. Am folgenden Tag wurde etwa zehn Zentimeter unterhalb der Fundstelle das rechte Pendant gefunden. Die Schuhleisten lagen so übereinander, dass sie den Anschein erweckten, als ob sie in einer Art Schuhkarton verwahrt gewesen wären.
Beide Stücke sind aus Ahornholz geschnitzt. Der römische Schuhmacher zog das Leder über den Leisten in Form und nähte ein Paar Schuhe. Mit Hilfe des Leistens konnten auch die Riemen von Sandalen auf einfache Art und Weise angepasst werden. Die Länge beider Leisten entspricht etwa unserer Schuhgrösse 40. Die meisten Männerschuhe lagen zwischen 37 und 40, aber auch Grösse 43 war nicht allzu aussergewöhnlich. Abdrücke durch Benagelung auf der Schuhsohle – wie sie bei römischem Schuhwerk als Schutz vor zu schnellem Ablaufen der Sohle häufig zur Anwendung kam – konnten nicht festgestellt werden. Einzig auf dem Schaft des linken Leistens ist ein kleines Kreuz als Markierung zu erkennen.
Ein Schuhleistenpaar gab es noch nie
Das Handwerk des Schumachers kann in römischen Siedlungen gelegentlich durch Werkzeugfunde, Reste von Leder oder durch Schuhfunde nachgewiesen werden. Auch aus dem römischen Oberwinterthur wurden Werkzeuge wie Messer, Ahlen, Pfrieme, Stichel und Schuhnägel gefunden. Vor wenigen Wochen wurde sogar eine Art Flip-Flop aus Buchenholz entdeckt. Der Fund der beiden Schuhleisten ist jedoch einzigartig. Aus der römischen Welt sind bislang nur zwei sehr fragmentarisch erhaltene Einzelfunde – einer aus dem deutschen Rottweil, ein anderer aus Bliesbruck an der Mosel – bekannt. Nie zuvor wurden eine linke und eine rechte Leiste gemeinsam und dazu noch in dieser ausserordentlich guten Erhaltung gefunden. Warum die Stücke allerdings in die Latrine gelangt sind, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben
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