Würzburgs Antikenschätze in Gefahr: Museum startet Spendenaufruf

Der Antikensammlung im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg droht der Verlust zahlreicher bedeutender Leihgaben. Aus diesem Grund haben die Verantwortlichen jetzt eine Spendenaktion gestartet.

Es ist ein Szenario, das kein Museumsleiter erleben möchte: Ein Sammlerpaar hat seinem Museum über viele Jahrzehnte hinweg immer wieder kostbare Stücke als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt. Jetzt – nach dem Tod der beiden – meldet sich ein Nachkomme und verlangt die Objekte zurück. Er möchte sein Erbe zu Geld machen; dem Museum räumt er großzügig ein Vorkaufsrecht ein.

Jochen Griesbach-Scriba mit einer antiken Trinkschale im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg
Wer den letzten Schluck trinkt, erblickt die Medusa. Jochen Griesbach-Scriba mit einer Trinkschale, die um etwa 540 vor Christus hergestellt wurde. (Bild: Gunnar Bartsch / JMU)

Jochen Griesbach-Scriba hat genau das erlebt. Griesbach-Scriba ist Direktor der Antikensammlung des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg. Die entsprechende Nachricht hat er vor gut einem Jahr erhalten – keine gute Nachricht. »Es wäre ein enormer Verlust für die Antikensammlung, den ich nicht kompensieren kann«, sagt er. Viele dieser Dauerleihgaben würden als Schlüsselobjekte für kulturelle Zusammenhänge in Ausstellungen und Führungen gezeigt, von manchen von ihnen gibt es weltweit nur ein weiteres Exemplar zu sehen.

Eine Million Euro für gut 80 Objekte

Das Problem dabei: Das Martin von Wagner Museum verfügt über keinen Etat für Ankäufe. Dementsprechend kann Griesbach-Scriba nicht mal eben einen Scheck ausstellen und den Erben quasi »ausbezahlen«. Aus diesem Grund hat die Antikensammlung jetzt eine Spendenaktion gestartet. Ziel ist es, mit der Hilfe vieler Unterstützerinnen und Unterstützer den Ausverkauf zu verhindern, damit die Leihgaben weiterhin in Würzburg der Öffentlichkeit präsentiert werden können.

Die Hürde ist allerdings hoch: Rund eine Million Euro könnten die gut 80 Objekte einbringen, würden sie über den freien Kunstmarkt veräußert, schätzt Griesbach-Scriba. Doch auch wenn die Spendenaktion nur einen Teil dieser Summe zusammenträgt, wäre der Antikensammlung geholfen. Je nach Höhe der Spenden wird Griesbach-Scriba versuchen, zuerst die Objekte, die auf seiner Prioritätenliste weit oben platziert sind, dem Erben abzukaufen.

Italienische Funde mit griechischen Wurzeln

Weinamphoren, Trinkgefäße, kleine Skulpturen und Alltagsobjekte aus Marmor und Bronze bilden den Großteil der Leihgaben, ergänzt von einer Hand voll Gemälden und Preziosen, die in der Gemäldegalerie des Martin von Wagner Museums aufbewahrt werden. Der genaue Fundort ist in den meisten Fällen unbekannt. Der Großteil dürfte jedoch aus dem heutigen Italien stammen, wo sie als Grabbeigaben Verwendung fanden. Dass vor allem die Keramiken in Griechenland hergestellt wurden, verrät viel über den Transfer von Gütern und Ideen im Mittelmeerraum in der Zeit vom 7. Jahrhundert vor bis ins 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung.

Solch eine griechische Keramik steht auch auf Jochen Griesbach-Scribas Liste ganz oben: eine Schale, die um etwa 540 vor Christus hergestellt wurde. Der Form nach gleicht sie einer Obstschale, die dekorativ in der Tischmitte Platz findet. Tatsächlich handelt es sich um ein Trinkgefäß, dessen Innenseite ringsum mit einer Reihe von Kriegsschiffen bemalt war. Gefüllt mit Wein, schienen die Schiffe darauf zu schwimmen.

Überraschung am Boden der Trinkschale

»Solche Trinkschalen gingen beim griechischen Symposion von Mund zu Mund«, erklärt Griesbach-Scriba. Erst beim letzten Schluck präsentierte sich eine Überraschung: Dann nämlich taucht am Boden der Schale ein sogenanntes »Gorgoneion« auf – der Kopf der Gorgo, hierzulande vermutlich besser bekannt unter ihrem Namen Medusa. Sie verwandelt der Sage nach jeden zu Stein, der ihr in die Augen schaut. Den Wert allein dieser Trinkschale taxiert Griesbach-Scriba auf 40.000 Euro.

Der Verkauf der antiken Objekte an private Sammler würde nicht nur für das Martin von Wagner Museum einen schmerzhaften Verlust bedeuten. Auch der Öffentlichkeit gingen dann wertvolle Einblicke in das Leben und Denken in der Antike verloren. »Wenn solche Stücke in einer Privatsammlung landen, hat niemand mehr etwas davon«, sagt Griesbach-Scriba. Nur in Museen sei garantiert, dass alle Interessierten sie in Augenschein nehmen können – dreidimensional und in echt.

Diese Chance haben im vergangenen Jahr rund 10.000 Besucherinnen und Besucher der Antikensammlung genutzt – viele davon aus dem Ausland angereist. Ihren Besuch in Würzburg haben sie mit Einblicken in die antike Welt verbunden, wie sie nur an wenigen Orten zu bekommen sind. Jochen Griesbach-Scribas Hoffnung ist, dass dies auch in Zukunft so bleibt – dank der großzügigen Unterstützung zahlreicher Spenderinnen und Spender.

Spendenkonto

Wer den Ankauf der Dauerleihgaben mit seiner Spende unterstützen möchte, kann dies mit einer Überweisung auf folgendes Konto tun: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, IBAN DE09 7905 0000 0000 0988 22, BIC: BYLADEM1SWU, Kennwort »Antike«.

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