Wie vor Jahrtausenden Pferde gezüchtet wurden
Das Nomadenvolk der Skythen, das in der Eisenzeit ungefähr vom 9.-1. Jhdt. vor Christus in den zentralasiatischen Steppen lebte, war für seine Reit- und Kriegskünste bekannt. Die Skythen gehörten zu den Ersten, die auf Pferden ritten und vom Pferderücken aus mit dem Bogen schossen. Eine internationale Studie mit Beteiligung des Instituts für Genetik der Universität Bern zeigt nun, auf welche Eigenschaften die Skythen bei der Zucht ihrer Pferde achteten, um sie für ihre Zwecke anzupassen.
Beim Vergleich von alter Pferde-DNA mit dem Erbgut heutiger Pferde konnten die Forschenden zudem genetische Veränderungen nachweisen, die aus den letzten 2»000 Jahren der Pferdezucht hervorgingen. Das Erbgut von modernen Pferden wurde dabei von Prof. Tosso Leeb und Vidhya Jagannathan, PhD, vom Institut für Genetik der Universität Bern beigesteuert. Die Untersuchung der archäologischen Pferde-DNA ergab, dass die Skythen sowohl eine Vorliebe für ausdauernde Pferde hatten als auch für schnelle Sprinter und Tiere mit veschiedenen Fellfarben züchteten. Im Vergleich zu heutigen domestizierten Pferden wiesen die Pferde in der Eisenzeit eine viel höhere Variation in ihrem Erbgut auf, was mit phasenweisen Rückgängen der Pferdepopulation während der letzten 2.000 Jahren zusammenhängt. Die Studie wurde nun im Fachjournal »Science« veröffentlicht.
Erfolgreiche skythische Pferdezucht
Für die Studie wurden aussergewöhnlich gut erhaltene Pferdeknochen aus skythischen Königsgräbern in der Mongolei und in Kasachstan untersucht. Mittels neuester Untersuchungsmethoden konnten die Forschenden das Erbgut von 13 skythischen Hengsten sequenzieren, die vor 2.300-2.700 Jahren lebten. Auch die DNA einer Stute aus dem russischen Ural, die vor 4.100 Jahre lebte, wurde einbezogen. Die Stute gehörte zur noch älteren Sintashta- Kultur, die als erste zweirädrige Pferdewagen einsetzte. Die untersuchten Gene zeigten bei den skythischen Pferden eine grosse Vielfalt an Fellfarben, darunter Schwarz, Braun, Fuchs, Palomino und Schecke. Bei den Gangarten fehlte die Genmutation für den Passgang (abwechselnde Bewegung der jeweils rechten oder linken Beine), womit skythische Pferde keine natürlichen Passgänger waren. Einige Tiere wiesen Genvarianten auf, die mit der Sprint-Leistung bei heutigen Rennpferden in Verbindung stehen. Dies weist darauf hin, dass skythische Züchter nebst ausdauernden Pferden auch solche schätzten, die über kurze Distanzen schnell laufen konnten.
Auffällig ist auch die Tatsache, dass bis auf zwei Pferde keine der Tiere untereinander verwandt waren. Dies entspricht der Beschreibung von skythischen Begräbnisritualen durch den antiken Geschichtsschreiber Herodot, wonach bei Begräbnissen geopferte Pferde als Geschenk von verbündeten Stämmen übergeben wurden, die weit über die Steppe verbreitet lebten. »Im Vergleich zu heute gab es bei den untersuchten damaligen Pferden keine Anzeichen von Inzucht«, sagt Tosso Leeb vom Institut für Genetik. Dies weist darauf hin, dass die Skythen natürliche Herdenstrukturen erhielten und keine starke Linienzucht betrieben. »Im Gegensatz dazu können heute in der modernen Zucht einzelne Hengste Hunderte von Nachkommen zeugen«, erklärt Leeb. Insgesamt konnten die Forschenden im alten Erbgut 121 Gene ausmachen, die von skythischen Züchtern selektiert wurden und von denen die meisten mit der Entwicklung der Vorderbeine in Verbindung stehen. Dies passt zu gemessenen Knochenstrukturen der archäologischen Pferde und weist darauf hin, dass Skythen Pferde mit einer robusten Statur züchteten.
Erbgut heutiger Pferde vor allem durch die letzten 2.000 Jahre beeinflusst
Nebst der alten DNA wurde auch das Erbgut heutiger Pferde für die Studie sequenziert. Dafür wurden unter anderem 30 Pferde der Schweizer Freiberger-Rasse einbezogen und die heutigen mit den alten Gensequenzen verglichen. »Der Vergleich der alten und modernen Gensequenzen zeigt, dass Merkmale wie die Fellfarbe schon viel früher in der Zucht eine Rolle spielten als ursprünglich angenommen«, sagt Tosso Leeb. Die Forschenden fanden auch Hinweise auf einen starken Rückgang der Pferdepopulation während der letzten 2.300 Jahre, die zu einer verminderten genetischen Vielfalt bei domestizierten Pferden führte. In derselben Zeitperiode wurden für die Zucht immer weniger Hengste eingesetzt. »Heute tragen nahezu alle domestizierten Pferde dieselben, oder sehr ähnliche Y-Chromosom-Haplotypen, sind also fast alle miteinander verwandt«, ergänzt Leeb.
Als der Mensch vor über 5.000 Jahren Pferde zu zähmen begann, gab es noch zahlreiche verschiedene Abstammungslinien von Hengsten. Diese verschwanden erst innerhalb der letzten 2.000 Jahre. Dieser Schwund an Vielfalt der Y-Chromosomen geht mit einer Anreicherung von einzelnen krankheitsverursachenden Mutationen im Pferde-Erbgut einher. Die Forschenden erklären dies mit dem starken Rückgang der Pferdepopulation: »Durch die zunehmende Zucht in geschlossenen Populationen und der damit einhergehenden Inzucht konnten sich einige krankheitsverursachende Mutationen anreichern und traten in der geschrumpften Population somit gehäuft auf«, erklärt Leeb.
Infoüberschrift
Pablo Librado et al.: Ancient genomic changes associated with domestication of the horse, Science, 28 April 2017,
doi: 10.1126/science.aam5298
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