Westfälische Neandertaler hatten weitreichende Kontakte
In seiner Freizeit ist Michael Becker auf den Feldern rund um seinen Heimatort Fröndenberg unterwegs. Seit fast 20 Jahren sucht er hier nach Spuren aus der Steinzeit und hat schon zahlreiche Werkzeuge wie Pfeilspitzen, Klingen und Beile aus dieser Epoche gefunden. Auf einer Kuppe im Haarstrang gelang ihm im November 2018 eine ungewöhnliche Entdeckung, die er kürzlich den LWL-Archäologen in Olpe vorlegte.
Prof. Michael Baales bestätigte die Vermutung Beckers, dass es sich um einen Faustkeil handle: »Dieses Werkzeug ist ein ungefähr 60.000 bis 45.000 Jahre alter Faustkeil aus Feuerstein.« Damit stamme es aus der Mitte der letzten Eiszeit, als die Zeit der Neandertaler ihrem Ende zuging. »Das ist der erste Fund eines Faustkeils in meiner über sechzehnjährigen Amtszeit hier in Südwestfalen«, so Baales weiter.
Als Becker den Faustkeil fand, wusste er gleich, dass er etwas Besonderes in der Hand hielt. »Die typisch muscheligen Mulden zeigten mir sofort, dass das Stück vom Menschen bearbeitet worden ist«, erklärt Becker. »Dieses seltene Stück ist die Krönung all meiner bisherigen Suchgänge.«
Das rundliche und noch 6,1 Zentimeter große Gerät aus Feuerstein ist vom Pflug etwas in Mitleidenschaft gezogen worden. Allerdings ist die Spitze schon in der Steinzeit gebrochen, wie Baales an der Bruchkante erkennt. Auffällig ist, dass der kleine Faustkeil kein verdicktes unteres Ende aufweist, wie es bei Faustkeilen sonst üblich ist. Stattdessen war er ursprünglich umlaufend gleichmäßig scharfkantig. »Diese spezielle Art von Faustkeil kennen wir vor allem aus Frankreich und England«, erläutert Baales. »Da sie in Westfalen sehr selten sind, handelt es sich bei diesen Artefakten um einen Beleg für den engen Austausch der späten Neandertaler über große Entfernungen hinweg.«
Die ältesten Faustkeile wurden schon vor gut 1,8 Millionen Jahren von den frühen Menschen in Afrika angefertigt. Faustkeile konnten vielseitig genutzt werden. Sie dienten unter anderem zum Schneiden, Hacken und Schaben. Ihren Namen verdanken die Faustkeile ihrer Form: sie sind an einem Ende breit und rundlich, während das gegenüberliegende Ende spitz und keilartig zugeschlagen ist. Dadurch konnten sie gut am runden Ende in der Faust gehalten werden. In Europa wurde Nordischer Feuerstein genutzt. Den hatten vor 160.000 Jahren während der Eiszeit mehrere hundert Meter hohe Gletscher aus Südskandinavien und dem Baltikum bis an die Ruhr gebracht. Der Baltische Feuerstein diente seitdem dem Menschen der Steinzeit als wichtiger Rohstoff.
Viel Zeit hat Michael Becker schon auf Feldern verbracht und ungezählte Feuersteine, aber auch jungsteinzeitliche Beile, Dolchfragmente und vieles anderes aus vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden mit bloßem Auge erkannt und aufgelesen. »Ich hatte im Umfeld bereits zwei Steinartefakte aus der Zeit des Neandertalers gefunden, doch noch nie einen Faustkeil«, meint Becker. Die gefundenen Artefakte hat er stets der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie für Westfalen vorgelegt.
Funde der ältersteinzeitlichen Menschen sind sehr selten aus der Region. In den vergangenen 20 Jahren wurden bisher nur einige wenige Steinfunde entdeckt. Die Seltenheit des Stückes macht es zu einem »Fund von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung«. Nach dem Denkmalschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen gehört das Stück zwar nun dem Land, aber Michael Becker erhält für seine Mühen und Meldung eine Belohnung.
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