Weiterer Nachweis jungpaläolithischer Besiedlung in Baden-Württemberg
"Die Funde, die wir hier zutage gefördert haben, stammen hauptsächlich aus einer frühen Phase des mittleren Jungpaläolithikum, dem sogenannten Gravettien vor etwa 30.000 Jahren. Wie Optisch-Stimulierte Lumineszenz-Datierungen (OSL) der Lößsedimente zeigen, wurde die Hangfläche am Steinacker aber bereits vor über 70.000 Jahren in der mittleren Altsteinzeit besiedelt, in der Zeit des Neandertalers", erklärte Marcel Bratmöller vom Heinrich-Schliemann Institut der Universität Rostock.
"Es handelt sich hierbei um den ersten Nachweis jungpaläolithischer Besiedlung in Baden-Württemberg außerhalb der Welterbestätten im Ach- und Lonetal. Zudem handelt es sich um die erste Freilandfundstelle aus der Zeit des Neandertalers im Südwesten", ergänzte Marcel El-Kassem vom LAD. "Die außergewöhnlichen Oberflächenfunde, wie Projektilspitzen vom Typ Font-Robert oder bidirektionale Klingenkernsteine aus Bohnerzjaspis, belegen die Jagdtätigkeit und die anschließende Weiterverarbeitung der Beute durch die frühen Jäger und Sammler."
Die Siedlung am Steinacker befindet sich circa 30 Kilometer südlich von Freiburg im Breisgau in der auch als Markgräfler Hügelland bezeichneten Kandern-Müllheimer Vorbergzone. Von hier aus konnten die Eiszeitjäger die Tiere in der Mauchener Talmulde erfolgreich beobachten und zur Strecke bringen. Zudem konnten sie für die Herstellung der Steingeräte auf die lokalen Hornstein-Vorkommen zugreifen.
Die Fundstelle wurde bereits 1969 durch Werner Mähling entdeckt. "Durch Erosion und intensive landwirtschaftliche Nutzung wurden zahlreiche Funde an die Erdoberfläche befördert. Um den unaufhaltsamen Verlust wertvoller Substanz zu stoppen, war ein archäologischer Eingriff dringend geboten", erläuterte Marcel El-Kassem.
Ein weiteres Ziel der Arbeiten ist es, neue Erkenntnisse zur Lebensweise, Mobilität, Netzwerken und Landnutzungsmustern der nicht-sesshaften paläolithischen Jäger und Sammler zu gewinnen und die Forschungsergebnisse vom Steinacker mit den Daten der gut untersuchten Höhlenfundplätze des schwäbischen Jura und der rheinabwärts gelegenen Freilandfundstellen zu verknüpfen.
Die Federführung dieser Grabungen liegt beim Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart. Das LAD kooperiert bei diesem Projekt mit dem Heinrich-Schliemann-Institut der Universität Rostock, dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, der Eberhard Karls Universität Tübingen, der Geomorphologie der Universität Bayreuth sowie dem Markgräfler Museum Müllheim. Diese sehr gewinnbringende Kooperation zwischen Forschung, Denkmalpflege und Ehrenamt ermöglicht zahlreiche Synergien und wird von allen Beteiligten sehr geschätzt.
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