Was Fettrückstände über vergangene Essgewohnheiten verraten
Wie haben unsere Vorfahren in der Steinzeit gelebt? Was haben sie gegessen, wie haben sie gekocht und ihre Vorräte gelagert? Informationen über eine Zeit, aus der es keine schriftlichen Aufzeichnungen gibt, können archäologische Fundstücke geben. In den 1960er Jahren haben Wissenschaftler entdeckt, dass Lipide, also Fette, Jahrtausende in den Wänden von Keramiken überdauern können, die zum Braten, Kochen oder als Vorratsgefäße genutzt wurden. Die Analyse von Fettsäuren lieferte beispielsweise den Beleg dafür, dass Milch in Nordwestanatolien bereits vor über 9000 Jahren zu Käse verarbeitet wurde. Ebenso können Rückstände von Bienenwachs Aufschluss darüber geben, wann der Mensch begonnen hat, Honigbienen zu domestizieren.
"Wir reden bei solchen Funden in den meisten Fällen nicht von Talg- oder Wachsklumpen, die zentimeterdick in Rillen oder Ecken kleben", sagt Prof. Dr. Simon Hammann, Juniorprofessor für Lebensmittelsicherheit und -qualität an der FAU. "Die Fette sind beim wiederholten Kochen und Braten oder durch längere Lagerung von der porösen Matrix der Tongefäße absorbiert worden und haben dort zum Teil mehrere Jahrtausende überdauert – geschützt vor Grundwasserauswaschungen und mikrobiellem Abbau." Immerhin bis zu 100 Mikrogramm, manchmal sogar mehrere Milligramm Lipidrückstände können heute noch in einem Gramm Keramik nachgewiesen werden. Mittels Gaschromatographie und Massenspektrometrie werden die biomolekularen Komponenten entschlüsselt – es entsteht ein chemischer Fingerabdruck, der die Identifikation der einst verwendeten Nahrungsmittel ermöglicht. Der entscheidende Nachteil dieser Methode: Die Keramikproben müssen vollständig pulverisiert werden, was sie einerseits unwiederbringlich zerstört und andererseits keine Rückschlüsse auf die Verteilung der Lipide in den Gefäßen zulässt.
Simon Hammann hat über die Analyse von Lipiden in Lebensmitteln promoviert und untersuchte als Postdoktorand an der Universität Bristol getreidespezifische Lipide in archäologischen Proben sowie den Abbau von Fetten unter verschiedenen Umweltbedingungen. "Keines dieser Experimente konnte jedoch die Frage beantworten, wie Lipide tatsächlich in die anorganische Keramikstruktur eingebaut werden und wie sie dort verteilt sind", erklärt der Lebensmittelchemiker. Um dieses Problem zu lösen, entschied er sich für eine Technologie, die überwiegend in der Biomedizin und der Materialwissenschaft zum Einsatz kommt: die Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS). Bei diesem bildgebenden Verfahren löst ein hochenergetischer Ionenstrahl Elemente aus der Oberfläche, ohne die Probe zu zerstören. Ein in das Gerät integriertes Massenspektrometer bestimmt die chemische Zusammensetzung der desorbierten Stoffe. "Gemeinsam mit Kollegen der Universität Nottingham, die eines der modernsten SIMS-Geräte besitzt, konnte ich exzellente Daten aus meinen archäologischen Proben gewinnen", erzählt Hammann. "Statt weniger isolierter Signale in kleinsten Poren fanden wir in einigen Proben Lipidzonen mit einer Größe von bis zu 400 Mikrometern."
Mit der SIMS-Technologie, die eine brillante räumliche Auflösung von weit unter einem Mikrometer liefern kann, gelang es Hammann erstmals, Lipide in zusammenhängenden Strukturen darzustellen. Das ist ein ganz entscheidender Fortschritt, denn ein komplexes Bild davon, wie die Fette in der Keramik verteilt sind, könnte in Zukunft Rückschlüsse auf die Art der Speisenbereitung zulassen: "Wenn wir besonders hohe Lipidgehalte im oberen Bereich eines Tontopfes finden, wissen wir, dass darin überwiegend gekocht wurde", erklärt Simon Hammann. "Maximale Lipidanreicherungen in Bodennähe deuten eher auf Braten hin." Bislang benötigte man mehrere Scherben eines Gefäßes, um dessen Einsatzzweck bestimmen zu können. Mit der bildgebenden Massenspektrometrie könnte dafür eine einzige Scherbe ausreichen.
Bei seinen Untersuchungen entdeckte Simon Hammann einen weiteren wichtigen Aspekt der Lipidkonservierung in archäologischen Keramiken: Viele der größeren Einschlüsse, die zum Teil mit bloßem Auge sichtbar waren, lagen in Verbindung mit Calciumsalzen vor. "Calciumcarbonat, zum Beispiel in Form von Muscheln oder Kalkstein, wurde häufig beim Brennen der Gefäße verwendet und reagierte später mit den Fettsäuren zu Fettsäure-Calciumsalzen", erklärt Hammann. "Diese Salze sind extrem schlecht wasserlöslich und deshalb ein sehr guter Konservator für die Lipide." Mit der klassischen Extraktionsmethode unter Verwendung von Chloroform und Methanol können diese Salze nicht gelöst werden, erst der Einsatz säurehaltiger Extraktionsmittel macht die so gebundenen Lipide zugänglich. Hammann: "Wir stehen hier noch am Anfang der Forschungsarbeiten, aber als Calciumsalze gebundene Lipide sind eine wertvolle Quelle für die weitere Analyse archäologischer Funde."
Publikation
Mechanisms of lipid preservation in archaeological clay ceramics revealed by mass spectrometry imaging
PNAS. 30.6.2020
DOI: 10.1073/pnas.1922445117
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