Waffen für das Jenseits
Im Bereich von Rotweinstraße, Stevenagestraße und Kreuzbergstraße befindet sich eines der größten archäologisch erforschten Reihengräberfelder der Merowingerzeit in Rheinhessen. Die dortigen Untersuchungen sind Teil einer seit 2015 laufenden mehrjährigen Grabungskampagne, bei der u. a. die Nutzungsdauer und die Ausdehnung der Nekropole untersucht werden sollen. Mehr als 250 Gräber aus der Zeit von etwa 500 n. Chr. bis in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts konnten bislang dokumentiert werden. In den beiden vergangenen Jahren wurde durch gezielte Ausgrabungen das nördliche Ende des Gräberfeldes ermittelt.
Kulturdezernentin und Bürgermeisterin Eveline Breyer freut sich an den neu gewonnenen Erkenntnissen über jene Menschen, die im frühen Mittelalter in Ingelheim lebten: »Obwohl die Grabstätten ja leider meistens schon zeitgenössisch beraubt wurden, finden wir doch immer wieder Beigaben, die von den Grabräubern übersehen oder nicht beachtet wurden. Diese Funde können uns etwas über das Geschlecht, den gesellschaftlichen Status oder auch den Beruf der bestatteten Personen erzählen.« Typische Beigaben sind Gefäße wie Töpfe aus Keramik oder Glasbecher, Schmuck wie etwa Glasperlen, aber auch Waffen und Werkzeuge, die meist aus Eisen gefertigt wurden.
Beim Freilegen von Grab 361 kamen ein Messer, eine Schere und eine vollständige, massive Gürtelgarnitur zum Vorschein. Das spektakulärste Objekt aus dem Grab ist aber das Schmalsax. Dieses kurze, einschneidige Hiebmesser, eine typische Beiwaffe fränkischer Krieger, spricht nicht nur für eine männliche Bestattung. Seine Form und die Länge von insgesamt rund 38 Zentimetern liefern außerdem einen zuverlässigen Hinweis auf die Datierung des Grabes: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde sein einstiger Besitzer in der Zeit zwischen 550 und 600 n. Chr. bestattet. Bei dem Toten aus Grab 361 dürfte es sich um einen Mann aus der »Mittelschicht« der damaligen fränkischen Gesellschaft in Ingelheim gehandelt haben.
Ein Röntgenbild der beigegebenen Eisenobjekte zeigt außerdem, dass unter der dicken Korrosionsschicht keinerlei Verzierungen erkennbar sind. Diese eher schlichte Gestaltung stützt auch die frühe Datierung des Grabes in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts. Aufwändigere Dekorationen wie beispielsweise Buntmetalleinlagen, sogenannte Tauschierungen, sind erst in späterer Zeit häufiger zu beobachten. Tauschierte Objekte wie die mit feinen Gold- und Silberdrähten verzierte Gürtelschnalle, die 2017 an der Rotweinstraße gefunden wurde, sind in Ingelheim aber keine Seltenheit. Man darf also durchaus gespannt sein, welche Funde in den kommenden Wochen in der Rotweinstraße noch zutage treten.
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