Von Klostermauern und frommen Frauen
'Das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Gravenhorst hat eine 750-jährige wechselvolle Geschichte hinter sich. Diese hat die LWL-Archäologie für Westfalen während vier Jahre, von 1999 bis 2002, auf einer Fläche von fast 2.000 Quadratmetern untersucht. Es handelte sich damit nicht nur um die größte Ausgrabung eines Zisterzienserinnenklosters in Westfalen, sondern sogar um eine der größten Klostergrabungen im deutschsprachigen Raum' erklärt LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch.
15 Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen wie Archäologen, Kunsthistoriker, Bauforscher, Historiker, Numismatiker und Archäobotaniker haben die Funde und Befunde ausgewertet, die bei den Ausgrabungen zutage traten. Die LWL-Chefarchäologin Dr. Gabriele Isenberg freut sich, die Publikation nun der Öffentlichkeit vorlegen zu können. 'Das Buch richtet sich sowohl an die Fachwelt als auch an historisch und archäologisch interessierte Leser. Es handelt sich aber in erster Linie um eine Veröffentlichung für die Bevölkerung, die ein Recht auf Erstinformation über die Ergebnisse der vielbeachteten Ausgrabung hat', so Isenberg.
Geschichte des Klosters und archäologische Ergebnisse
Dank der umfassenden Grabungsdokumentation konnten die Wissenschaftler die baugeschichtliche Entwicklung des Klosters vom Gutshof zur Frauenzisterze vom 13. bis ins 18. Jahrhundert genau verfolgen. Nachdem das Kloster Gravenhorst 1256 auf einem bereits bestehenden Gutshof mit Mühle und Teich gegründet worden war, begann im frühen 14. Jahrhundert der Ausbau der Klosteranlage.
Der Gebäudekomplex wurde mehrfach umgebaut beziehungsweise mit zusätzlichen Häusern ergänzt, bis im 16. Jahrhundert seine Grundstruktur entstanden war. Hierzu gehörten unter anderem der Bau des West- und Nordwestflügels und eines Kreuzganges im Nordwesten der Klosteranlage im 14. Jahrhundert, die Entstehung des Südflügels von der Mitte des 15. bis ins 16. Jahrhundert. Im Laufe des 17. Jahrhunderts standen der Aus- und Umbau mehrerer Wirtschaftsgebäude auf dem Plan.
Mehr als 16.000 Kleinfunde haben die Ausgräber gefunden. Sie stammen vorrangig von Keramikgefäßen wie Krügen, Kannen, Schüsseln und Tellern und gewähren einen Einblick in die mittelalterliche und frühneuzeitliche Klosterküche. Messer belegen deren Verwendung bei Tisch und zur Essenszubereitung. Als Tafelgeschirr dienten überwiegend gedrechselte Holzschalen und Steinzeuggefäße, aber auch kostbare Gläser. Auch Schlüssel traten ans Licht, von denen zwei aus den Anfangsjahren des Klosters um 1300 stammen.
Im feuchten Gräftenboden haben sich viele Ledersohlen und halbhohe Lederschuhe mit Bändern und Schlaufen für die Schnürung erhalten. Die starken Durchscheuerungen im Bereich der Fußballens und Zehen zeigen, dass die Klosterfrauen ihre Schuhe sehr lange trugen.
Nicht zuletzt ermöglichen die in Gravenhorst gefundenen Speisereste einen Blick auf den Speiseplan der Nonnen. Sie verraten den Experten zum Beispiel, dass die Nonnen Rinder und Schweine gehalten haben. Diese Tiere waren schon im Mittelalter die wichtigsten Fleisch- und Milchlieferanten. Ihre Häute und Knochen verarbeitete man zum Beispiel zu Schuhen und Kämmen.
Von Klostermauern und frommen Frauen. Die Ergebnisse der Ausgrabungen im ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Gravenhorst
Birgit Münz-Vierboom
Münster 2007. 197 S. mit 298 Abb. und 1 Beilage
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