Von ägyptischen Mythen und Ritualen
Das Heisenbergprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt herausragende Wissenschaftler, die bereits alle Voraussetzungen erfüllen, um auf eine Professur berufen zu werden. Eine solche Heisenberg-Stelle bekam Andreas Pries zugesprochen. Er wird in den kommenden drei Jahren am Lehrstuhl für Ägyptologie an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) in Würzburg forschen. Eine Verlängerung des Programms um zwei weitere Jahre ist im Anschluss möglich.
An der JMU widmet sich Pries nun drei thematisch ineinandergreifenden Forschungsprojekten, die er unter folgendem Titel zusammengefasst hat: "Mythos und Krisenbewältigung im Alten Ägypten: Die Mobilisierung mythischer Traditionen im Kontext herrschaftlicher, kultischer und lebensweltlicher Bewältigungsstrategien am Beispiel des Horusmythos."
Das erste Teilprojekt befasst sich mit einer der Forschung bisher noch nahezu unbekannten Ritualhandschrift. 1884 war der Brite Flinders Petrie bei Ausgrabungen in Tanis in einem Nebengebäude der Tempelanlage auf die karbonisierten Reste von etwa 150 Papyri gestoßen. Das heute noch etwas mehr als eineinhalb Meter lange Manuskript, mit dem sich Pries nun beschäftigt, wurde anschließend restauriert und befinden sich heute in der Bodleian Library in Oxford. Inhaltlich beschreiben die Texte ein Ritual zur Feindvernichtung, welches dem Schutz des Pharaos diente, der zu diesem Zwecke mit unterschiedlichen Erscheinungsformen des Gottes Horus in Verbindung gebracht wurde, unter anderem dem lokal bedeutsamen "Herrn von Mesen". Für dieses Projekt arbeitet Pries neben der Universität Oxford auch mit der Durham University zusammen. Dort werden Chemiker Multispektralaufnahmen der verkohlten Handschrift anfertigen, die das Lesen erleichtern und eine brauchbare Reproduktion möglich machen sollen.
Auch das zweite Teilprojekt dreht sich um die Arbeit mit antiken Texten, deren Übersetzung und Edition. Allerdings nicht auf Papyrus, sondern in Form von Inschriften in zwei Räumen des großen Horustempels von Edfu. Die auch als "chapelles lunaires" (Mondkapellen) bekannten Kulträume waren der Gottheit Chons gewidmet. Die Tempelanlage von Edfu gilt als eine der besterhaltenen Ägyptens, seit 2016 hält der Lehrstuhl für Ägyptologie an der JMU die Konzession für dortige epigraphische Arbeiten. In den Chons-Kapellen geht er besonders der Frage nach, in welcher Form der Horusmythos auf die Kulte anderer Gottheiten übergriff. Neben einer geplanten Publikation in Buchform, wie sie auch für das erste Teilprojekt geplant ist, soll die digitale Dokumentation der Räume außerdem online im Open-Access-Format und mittelfristig auch in Gestalt eines 3D-Modells zugänglich gemacht werden.
Das dritte Teilprojekt geht thematisch weiter über die Grenzen der höheren Gesellschaftsschichten und religiösen Eliten hinaus und befasst sich mit magischen Beschwörungen gegen verschiedene Bedrohungen. Neben irdischen Gefahren, wie Schlangenbissen oder Skorpionstichen, steht dabei besonders das Phänomen des Bösen Blicks im Zentrum des Interesses. Dieser gilt als der vielleicht am weitesten verbreitete und älteste Volksglaube der Welt. Seine Wurzeln lassen sich auf Keilschrifttafeln bis circa. 3000 v. Chr. nachweisen, er tritt über den gesamten Globus auf und existiert auch heute noch in einigen Kulturen.
Der Böse Blick wird einer Person, häufig Kindern, zugeworfen, kann von Menschen wie Göttern ausgehen und bringt Unglück, Krankheit bis hin zum Tod mit sich: "Obwohl der Böse Blick in so vielen Kulturen rund um den Erdball lebendig war und ist und auch in der Vorstellungswelt des Alten Ägypten eine sehr prominente Rolle spielte, wie uns Bücherkataloge aus Tempeln und Personennamen annehmen lassen, kann man die eindeutig identifizierten Texte dazu aktuell an zwei Händen abzählen", erklärt Andreas Pries. Dabei wurden beispielsweise Abwehrsprüche und Beschwörungen auf Papyrus geschrieben und als Amulett getragen. Im Rahmen des Heisenbergprogramms will Pries nun eine erstmalige Bestandsaufnahme zum Thema in Texten des Alten Ägypten vornehmen, wobei im Zuge dessen die Möglichkeit von zukünftigen interdisziplinären Forschungsprojekten besonders reizvoll erscheint.
Pries studierte von 1998 bis 2004 an der Freien Universität Berlin Ägyptologie und Altorientalistik. Es folgten ein Forschungsaufenthalt in Hamburg und die Beteiligung als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich "Ritualdynamik" der Universität Heidelberg. Dort promovierte Pries 2009. Ab 2014 war er wissenschaftlicher Assistent der Ägyptologie an der Universität Tübingen, wo auch seine Habilitation erfolgte, ehe ihn die Heisenbergstelle nun an die JMU führt.
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