Versunkene Schiffe im Schiffshebewerk
Ein Beispiel spielt auf der Weser: Am 17. Juli 1769 war Wilhelm Krimmelberg mit zwei Lastkähnen auf der Weser von Rinteln nach Bremen unterwegs. Er hatte Brunnenringe und Fassadenteile aus Obernkirchner Sandstein geladen. In einer gefährlichen Kurve bei Rohrsen kenterte der Lastzug. Innerhalb weniger Minuten lag die gesamte Ladung auf dem Grund. Krimmelberg starb, die fünfköpfige Besatzung konnte sich retten. Mehr als 200 Jahre später wurde das Wrack bei Baggerarbeiten im Fluss entdeckt - ein Glücksfall für die Archäologen. Und jetzt auch für die Besucher des Schiffshebewerks Henrichenburg.
Die fünf Wracks spiegeln die ganze Bandbreite der Schifffahrt wider - vom Mittelalter bis zum Ersten Weltkrieg und von der Weser bis zum Südchinesischen Meer. Texte und Fotos geben Aufschluss über die Geschichte der Schiffe, ihre Bergung und Konservierung. Dazu werden rund 200 Originalteile in Szene gesetzt, darunter die älteste Schiffstoilette der Welt aus der »Bremer Kogge« von 1380, Geschirr aus einer 1822 gesunkenen chinesischen Dschunke, ein Lederschuh und Teile der Bordapotheke des Vorpostenbootes »Prangenhof«, das im Ersten Weltkrieg vor der belgischen Küste strandete, sowie die Steinladung aus den Weserkähnen.
»Wracks sind Zeitkapseln«
»Für die Archäologen sind Wracks Zeitkapseln, die wie in einer Momentaufnahme das Leben und Arbeiten in ihrer Epoche dokumentieren. Sie liegen in geheimnisvoller Tiefe unter dem Wasserspiegel und erinnern an das dramatische Schicksal ihrer Besatzungen. Das macht ihre Faszination aus. In der Ausstellung greifen wir das große Publikumsinteresse an diesem Thema auf und geben einen Einblick in das spannende Feld der Unterwasser-Archäologie«, erklärte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale am Donnerstag (9.10.) bei der Vorstellung der Ausstellung in Waltrop.
Die Konservierung von Funden, die unter Wasser geborgen werden, verlangt besondere Vorsicht, denn beim Kontakt mit Sauerstoff drohen sie zu zerfallen. Stark gefährdet sind ausgerechnet zwei Materialien, die im Schiffbau besonders wichtig waren: Holz und Eisen. Mit komplizierten Verfahren bemühen sich Restauratoren, solche Funde zu retten. So wurden etwa die Weserlastkähne von 1999 bis 2004 im Weserrenaissance-Museum Schloss Brake in Lemgo mit einer Kunstwachslösung getränkt, um sie zu konservieren.
Als das am beste erforschte Wrack der deutschen Seefahrtsgeschichte gilt die »Bremer Kogge«. Fast 600 Jahre lang lag sie im Schlick der Weser. Dann stießen Bauarbeiter bei der Erweiterung des Hafens auf ein Schiffswrack. Über 2.000 Teile wurden im Laufe von vierzig Jahren geborgen, datiert, konserviert und zusammengesetzt. »Damit gilt die Bremer Kogge als Meilenstein der deutschen Unterwasser-Archäologie«, erklärte Museumsleiter Dr. Arnulf Siebeneicker.
Gefahr durch Schatzjäger
Die Faszination, die von Schiffswracks ausgeht, setzt sie aber auch einer großen Gefahr aus, denn dadurch geraten sie in das Visier von Schatzjägern. Als Beispiel dafür steht in der Ausstellung die »Tek Sing«, eine chinesische Dschunke. Sie ging 1822 mitsamt ihrer Keramik-Ladung unter und wurde von kommerziellen Ausgräbern aufgespürt. Ein Spielball der Wellen wurde auch der Fünfmaster »Preussen«, eines der schönsten Segelschiffe der Welt. 1910 kollidierte sie auf der Reise nach Chile im Ärmelkanal mit einem Dampfer, der ihre Geschwindigkeit unterschätzt hatte. Bei dem Versuch, das havarierte Schiff nach Dover zu schleppen, lief es auf Grund und konnte nicht mehr befreit werden. »Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die 'Preussen‘ ausgerechnet durch einen Dampfer zerstört wurde. Ihr Untergang markiert das Ende der Ära der großen Segelschiffe«, sagte Linda Wilken, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ausstellungsprojekts. In den folgenden Jahrzehnten verfiel das Wrack allmählich. Teile der Ladung konnte die Reederei bergen. Andere Gegenstände, die in Chile hätten verkauft werden sollen, wie Heiligenbilder und Mundharmonikas blieben an Bord. Sie wurden in den folgenden Jahrzehnten von Tauchern aus dem Wrack geholt und sind in der Ausstellung zu sehen.
Durch die Verbesserung der Tauchtechnik und durch moderne Geräte für das Orten und Erkunden von Fundstätten werden immer mehr Wracks zugänglich, die zuvor in großer Tiefe vor Ausplünderung geschützt waren. Auch durch Fischfang, Kiesabbau, Ölplattformen und Windparks werden Fundstätten gefährdet, die unter Wasser liegen. Außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone vor der Küste sind die Ozeane ein Niemandsland für Archäologen. Die Unesco bemüht sich aktuell, Regeln für den Umgang mit dem Kulturerbe unter Wasser durchzusetzen.
Möglich wurde die Ausstellung, die noch bis zum 5. Juli 2015 zu sehen ist, durch Leihgaben, insbesondere aus dem Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven, dem Historischen Museum Bremerhaven, der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin und dem Weserrenaissance-Museum Schloss Brake. Die Ausstellung ist Teil des Themenjahres »Unterwelten« im LWL-Industriemuseum mit Ausstellungen und Veranstaltungen an allen acht Standorten des Landesmuseums für Industriekultur.
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