Über Stock und Stein
Das Grabungsteam fand unterhalb des Straßenzuges zunächst einen sogenannten Knüppeldamm des 14. Jahrhunderts. »Mit einer einfachen Aneinanderreihung von quergelegten Hölzern konnte so ein morastiger Untergrund besser befahrbar gemacht werden«, erklärt Dr. Hans-Werner Peine, Leiter des Referats für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der LWL-Archäologie für Westfalen. Dieser Weg konnte bislang auf fünf Meter Länge erfasst werden und besaß eine Mindestbreite von 4,5 Metern. Die genaue Datierung steht noch aus und wird anhand der Funde folgen.
»Verblüffender Weise kamen darunter mehrere ältere Pflasterungen zum Vorschein, die teils aufwendig mit kleinen Steinen, teils mit größerem Material befestigt worden waren«, erläutert Grabungsleiter Dr. Gerard Jentgens die Entdeckungen der baubegleitenden Maßnahme. Durch mit der Zeit absinkende Steine und entstehende Wagenrinnen wurde aus der Fahrt durch den Bült eine holprige Angelegenheit. Offenbar wurden einige Stellen nicht nur mit Steinen ausgebessert, sondern auch mit Knochenmaterial aus Schlachtungen. »Diese unterschiedlichen Materialien verbesserten den Komfort der Straße wohl eher unwesentlich«, kommentiert Jentgens. Trotzdem scheint der Straßenbau für das mittelalterliche Dülmen auffallend aufwendig. Dies lässt sich auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Bült offensichtlich Teil des bedeutenden Fernwegs von Haltern nach Münster war, was die historische Forschung bisher lediglich vermuten konnte.
In der Marktstraße, die den Stadtkern von Süden nach Norden durchquert, entdeckten die Archäologen, trotz zahlreicher Zerstörungen durch den modernen Straßenbau, parallel zur Straße einen größeren Graben. Dessen Verfüllung bestand überwiegend aus organischem Material, wie zum Beispiel Lederreste und Schlachtabfälle von Rind, Schwein und Ziege. Die Funde aus Keramik weisen auf eine Aufgabe des Grabens und spätere Überpflasterung um das Jahr 1200 hin. Da Dülmen erst 1311 zur Stadt erhoben wurde, gehört der Graben damit in die vorstädtische Siedlungsphase. Sein Verlauf lässt sich ungefähr mit einer vermuteten Befestigung aus dieser Zeit in Verbindung bringen. »In karolingischer Zeit befand sich hier sehr wahrscheinlich eine curtis, eine befestigte Hofanlage«, so Jentgens. Die Befestigung war vermutlich auch mit einem Umfassungsgraben versehen. Damit könnte der jetzt entdeckte Graben identisch sein.
»Die großflächige Grabung um die Kirche St. Viktor und das Rathaus von 2015 brachte eine europaweit einzigartige Glockengussgrube des 8. Jahrhunderts zu Tage«, erzählt Peine. »Jetzt können wir unweit dieses Areals wieder einen besonderen Einblick in die Geschichte Dülmens gewinnen.« In der Gasse Bült war zunächst ein einfacher Kanalbau angedacht. Da die Straße für eine andere Baumaßnahme jedoch abgesenkt werden musste, war es nun möglich eine umfangreichere Grabung anzulegen, die bis zum Ende des Jahres andauern wird.
»Die Archäologen leisten mit ihrer Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der Dülmener Stadtgeschichte. Wichtig ist es für uns, dass die Forschungsarbeit und der Baufortschritt weiter vereinbar bleiben. Wir sind sehr froh, dass wir mit Dr. Jentgens einen Ansprechpartner vor Ort haben, der beide Interessen im Blick hat«, sagte Klaus Christmann vom Fachbereich Bauaufsicht und Denkmalschutz der Stadt Dülmen. »Die Zusammenarbeit mit dem LWL gestaltet sich insgesamt sehr unkompliziert.«
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