Trassenarchäologie in Mittelthüringen
Auf dem fast 35 km langen Trassenabschnitt zwischen Erfurt und der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt wurden zunächst Grabungen auf bereits bekannten Fundstellen begonnen und die Trasse komplett abgegangen, um weitere unbekannte Fundstellen aufzuspüren. Seit Anfang April werden auch neu aufgefundene Fundstellen im Trassenverlauf ausgegraben. Die Prospektion der Oberfläche erbrachte 12 neue Fundstellen im Streckenverlauf sowie am Rand der Strecke, von denen die Hälfte in den nächsten Monaten ausgegraben werden. Besonders eine Fundstelle lieferte schon auf der Oberfläche Funde aus der Römischen Kaiserzeit, genauer dem 2. und 3. Jh. n. Chr. und der Karolingerzeit (Ende 8. und 9. Jh. n. Chr.). Zwei herausragende Stücke können schon vorab bekanntgegeben werden. Es handelt sich zum Einen um eine kostbare Gewandschließe vom Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, die vermutlich aus einer Produktionsstätte im heutigen Belgien stammt. Ein karolingischer Schwertgurtbeschlag gehörte zweifellos zum Wehrgehänge eines hochgestellten Edlen des ausgehenden 8. oder beginnenden 9. Jh. n. Chr., d.h. der Regierungszeit Kaiser Karls des Großen. Das Stück aus vergoldeter Bronze zeigt eine Mischornamentik aus Tier- und angedeuteten Pflanzendarstellungen. Es ist das erste seiner Art in Thüringen, was mit der Lage Thüringens an der Ostgrenze des fränkischen Reiches zu erklären ist. Die heutige ICE-Trasse liegt großteils auf alten Wegeführungen, so nordöstlich von Erfurt auf der Via regia lusitania oder Hohen Straße, die wahrscheinlich schon damals eine bedeutende Rolle im Ost- West-Verkehr gespielt hat.
Unter den Fundstellen, auf denen bereits Ausgrabungen durchgeführt werden, ragt jene nördlich von Krautheim (AP) hervor. Hier werden auf 6,5 ha Fläche ein Grabhügelfeld, Einzelgräber, Grabensysteme und Siedlungen untersucht. Die Grabhügel wurden nach derzeitigem Stand sämtlich in der jüngeren Bronzezeit vor etwa 3000 Jahren errichtet. In den durch aufwendige Steinkonstruktionen geschützten Gräbern fanden sich Trachtbestandteile und Schmuck aus Bronze und Keramik. Am Rand und zwischen den Grabhügeln wurden als Brandgräber Nachbestattungen der frühen Eisenzeit (8.-6. Jh. v. Chr.) und der Römischen Kaiserzeit (hier 1. und beginnendes 2. Jh. n. Chr.) eingebracht. Intakte Brandgräber wurden im Block geborgen und werden erst in der Restaurierungswerkstatt „ausgegraben". Von teilzerstörten Gräbern stammen mehrere hundert Einzelfunde von Fibeln, Arm- und Beinringen, Beschlagnägeln etc. Die Ausgrabung in Krautheim wird unser Wissen um die Grab- und Bestattungssitten zwischen 1000 v. Chr. und 150 n. Chr. zweifellos beträchtlich erweitern. Die Grabensysteme stehen vermutlich im Zusammenhang mit den alten Wegeführungen der Hohen Straße und der in der Kleinregion auf diese treffenden Kupferstraße als bedeutender Süd-Nord-Verbindung.
Insgesamt sind über 60 Mitarbeiter in fünf Grabungsteams und einer Zentralstelle mit der Dokumentation, Bergung und Sicherung der Hinterlassenschaften unserer Vorfahren beschäftigt. Das TLDA wird in der Ausführung der technischen Arbeiten durch den Landschaftspflegehof Karsdorf zuverlässig unterstützt. Neben den klassischen archäologischen Methoden der Ausgrabung kommen moderne physikalische und geophysikalische Methoden zum Einsatz. Auch die Dokumentation wird durch Neuentwicklungen, wie der Fotobefliegung mittels Kameradrohne bereichert.
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