Spurensuche nach einem extremen Klimawandel
Die Reste eines in Schwemmland begrabenen Kiefernwaldes am Fuße des Mont Saint Genis in Südfrankreich enthalten aufschlussreiche Informationen über einen drastischen Klimawandel. Die Kiefern begannen ihr Wachstum vor rund 12.900 Jahren während der relativ warmen Allerød-Zeit. Das fossile Holz dokumentiert den Kälteeinbruch der »Jüngeren Dryas«. Forschende des Deutschen GeoForschungsZentrums in Potsdam haben gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen jetzt erstmals klassische Baumringdickenmessungen mit Analysen der stabilen Isotope von Kohlenstoff und Sauerstoff der Baumjahrringe verknüpft. Sie rekonstruierten damit in jährlicher Zeitauflösung das lokale Bodenwasser (Niederschlag) und die relative Luftfeuchtigkeit. Daraus ergaben sich völlig neue Einblicke in die hydrologische Variabilität und Änderungen der atmosphärischen Zirkulation während dieses abrupten Klimawandels. Das Team berichtet darüber im Fachjournal Scientific Reports.
Der plötzliche Kälteeinbruch auf der Nordhalbkugel zwischen 12.700 und 11.600 Jahren vor heute ist hauptsächlich aus grönländischen Eisbohrkernen und mitteleuropäischen Seesedimenten bekannt. Er wurde nach der Weißen Silberwurz (lat.: Dryas octopetala) benannt – eine Pflanze der Arktis, die sich wieder ausgebreitet hatte. Der Fund der fossilen Kiefern in einem südfranzösischen Flusstal nahe Avignon schließt nun eine wichtige Lücke, denn er zeigt, wie sich das Klima in dieser Zeit im Mittelmeerraum änderte. Mit genauen Radiokohlenstoff-Datierungen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, dass die begrabenen Kiefern in der warmen Allerød-Zeit vor der Jüngeren Dryas aufgewachsen waren und den plötzlichen Kälteeinbruch für einige Jahrzehnte überlebt hatten. Sie wurden damit Zeugen dieses Klimawandels.
In ihren Analysen fanden die Forschenden Anzeichen für einen vermehrten Luftmassentransport vom Atlantik. »Überrascht hat uns, dass schon etwa sechzig Jahre vor dem eigentlichen Klimawechsel eine deutliche Veränderung der Niederschlagsquelle zu erkennen war«, berichtet die Erstautorin Maren Pauly vom GFZ. Den Ergebnissen zufolge nahmen feuchte Luftmassen aus dem Atlantikraum zu und Niederschläge aus dem Mittelmeerraum ab. Zu sehen ist diese Veränderung in einer zunehmenden Variabilität der Sauerstoffisotope des Bodenwassers. Isotope sind Atome mit einer unterschiedlichen Anzahl von Neutronen im Kern. Aus den Verhältnissen von leichten und schweren Isotopen lassen sich Rückschlüsse auf die Herkunft von Luftmassen und damit Niederschlägen ziehen. »Besonders markant ist auch die Zunahme extremer polarer Luftvorstöße, Winterniederschläge und Winterstürme zu Beginn der Jüngeren Dryas«, ergänzt Achim Brauer, Leiter der Sektion Klimadynamik und Landschaftsentwicklung und Direktor des Departments 5 am GFZ. Maren Pauly arbeitet als Doktorandin in seiner Gruppe.
Mit dieser Studie belegen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass nicht die Änderung der Mitteltemperaturen problematisch war, sondern dass der Stress für die Umwelt, der vermutlich auch zum Absterben der Bäume geführt hat, durch die Häufung von extremen Witterungsbedingungen in einzelnen Jahren oder Dekaden ausgelöst wurde. Generell zeigt diese Studie, dass Zeiten von starkem Klimawandel mit einer größeren Instabilität der atmosphärischen Zirkulation einhergehen können, die zu einer stärkeren Variabilität von Jahr zu Jahr oder Dekaden führt. »Hier zeigt die Paläoklimaforschung, wie sie Wissenslücken mit Informationen aus natürlichen Klimaarchiven schließen kann«, sagt Achim Brauer. Das sei auch deshalb wichtig, weil »uns Erfahrungswerte darüber fehlen, was genau während eines plötzlichen Klimawandels geschieht, wie schnell sich das Klima verändern kann und welche regionalen Unterschiede auftreten.«
Publikation
Subfossil trees suggest enhanced Mediterranean hydroclimate variability at the onset of the Younger Dryas
Nature Scientific Reports 8. 18.09.2018
DOI: 10.1038/s41598-018-32251-2
https://www.nature.com/articles/s41598-0...
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