Seltene Einblicke in ein Kriegsgefangenenlager des 1. Weltkriegs

Das am Südrand der Stadt Griesheim (Lkr. Darmstadt-Dieburg) gelegene Bebauungsplangebiet "Griesheimer Anger" in liegt im Bereich eines bereits seit dem 19. Jahrhundert militärisch genutzten Areals. Die Spuren dieser vergangenen Nutzung haben sich bis heute erhalten. Da mit der geplanten Bebauung der Verlust der Zeugnisse einhergeht, wurden diese nun erfasst und gesichert.

Bürgermeister Geza Krebs-Wetzl (Griesheim), Geschäftsführer Jens Gottwald (SEGG), Iwona und Joachim Juraszek (AAB Archäologie), Bezirksarchäologe Dr. des. Thomas Becker (hessenARCHÄOLOGIE), Oliver Loem (Griesheim, Stadtentwicklung)
v. l.: Bürgermeister Geza Krebs-Wetzl (Griesheim), Geschäftsführer Jens Gottwald (SEGG), Iwona und Joachim Juraszek (AAB Archäologie), Bezirksarchäologe Dr. des. Thomas Becker (hessenARCHÄOLOGIE), Oliver Loem (Griesheim, Stadtentwicklung) (Foto: © Lars Görze M.A., LfDH)

Im Beisein von Griesheims Bürgermeister Geza Krebs-Wetzl und dem Geschäftsführer der SEGG, Jens Gottwald, wurden die Ergebnisse der Ausgrabung sowie ausgewählte Funde kürzlich vor Ort durch den zuständigen Bezirksarchäologen Dr. des. Thomas Becker (hessenARCHÄOLOGIE) sowie Iwona Juraszek M.A. und Joachim Juraszek M.A. (AAB Archäologie) vorgestellt.

Militärische Nutzung seit den 1860er Jahren

Bereits seit den 1860er Jahren nutzte das hessen-darmstädtische Militär das Griesheimer Areal als Übungsgelände für die Artillerie. Während des ersten Weltkrieges wurde es zum Kriegsgefangenenlager umfunktioniert, in dem vor allem französische Kriegsgefangene – man geht von bis zu 15.000 untergebrachten Soldaten aus – interniert waren. Nach dem Krieg nutzten zunächst französische Truppen den Platz und die Einrichtungen. Nach 1930 übernahm die Wehrmacht die Anlage, der Flughafen wurde im zweiten Weltkrieg von der Luftwaffe genutzt. Das Areal ging nach Kriegsende in die Nutzung der US-Army über, die hier bis 1992 unter anderem eine Rettungshubschrauber-Staffel betrieb.

Anhand der historischen Pläne und Karten entstand im Bebauungsplanverfahren zunächst ein Gutachten zu den vorherigen Nutzungen des Geländes. Es zeigte, dass im Planungsgebiet vor allem mit Resten von Baracken aus der Nutzungszeit als Kriegsgefangenenlager zu rechnen wäre. Allerdings konnte weder die exakte Lage noch die konkrete Erhaltung nach jahrzehntelanger Folgenutzung ermittelt werden.

Alltagsleben im Kriegsgefangenenlager

Im westlichen Bebauungsplanareal wurde durch die archäologische Fachfirma AAB Archäologie ein 5 Meter breiter Suchschnitt über dem vorgesehenen Bebauungsbereich angelegt. Darin konnten die Fundamente mehrere Baracken erfasst werden. Viele Funde lagen in den verfüllten Latrinen der Baracken, die offenbar nach Aufgabe des Lagers verfüllt wurden. Dabei kamen militärische Ausrüstungsgegenstände kaum zu Tage – lediglich einige Uniformknöpfe und eine Gasmaske deuten auf die Anwesenheit von Soldaten. Es sind vor allem die Gegenstände des täglichen Lebens, die sich in den Latrinen fanden. Von der Zahnbürste über medizinische Verpackungen und Schuhe bis hin zu persönlichen Gegenständen erzählen verschiedenste Funde vom Alltag der Soldaten im Lager. Dazu kam ein großer Bestand an Küchengerät, z.B. Wasserkannen, die offenbar am Ende des Lagers nicht mehr verwendet werden konnten. Einzelne Funde aus dem Areal stammen auch aus der Vor- oder Nachnutzung des Areals während seiner 150-jährigen Geschichte.

Insgesamt gab es im Deutschen Reich zu Zeiten des 1. Weltkrieges 96 Lager für kriegsgefangene Soldaten und 80 für Offiziere, neun dieser Stätten lagen in Hessen. Das Lager in Griesheim stellt eines der wenigen aus dieser Zeit dar, die durch archäologische Methoden näher untersucht werden konnten. Das Ergebnis sind seltene Einblicke in das Leben der Gefangenen des Krieges von 1914 bis 1918.

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