»Quo vadis Denkmalrecht?«

Über 200 Denkmalpfleger und Juristen diskutierten in Münster über den Schutz des kulturellen Erbes

Wie können wir unser kulturelles Erbe mit Gesetzen schützen? Wozu ist der Eigentümer eines Denkmals verpflichtet? Wer muss die Kosten für archäologische Grabungen übernehmen, wenn ein Bodendenkmal durch Baumaßnahmen zerstört wird? Diese und weitere Fragen stehen im Mittelpunkt der Tagung »Quo vadis Denkmalrecht? Kulturerbe zwischen Pflege und Recht«, die am heutigen Freitag zu Ende ging.

Teilnehmer der Tagung in Münster
Freuten sich über das Interesse an der Tagung zum Denkmalrecht (v.l.): Prof. Dr. Michael Rind (Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen), Prof. Dr. Janbernd Oebbecke (Westfälische-Wilhelms-Universität Münster), Dr. Holger Mertens (komm. Leiter der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen), Wolfgang Karl Göhner (Justitiar am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege), LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale, Prof. Dr. Jörg Haspel (Präsident des Deutschen Nationalkomitees vom Internationalen Rat für Denkmalpflege) und Dr. Markus Harzenetter (Vorsitzender der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland). Foto: LWL/Brentführer

Bei der dreitägigen Veranstaltung, die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gemeinsam mit dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) im LWL-Landesaus ausgerichtet wurde, trafen sich über 200 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter viele Richter und Rechtsanwälte, um sich zu Gegenwart und Zukunft des Denkmalrechts auszutauschen.

»Die Kommunen bitten die Fachbehörden, bei uns ist das der LWL, neben der fachlichen auch verstärkt um rechtliche Beratung in Sachen Denkmalschutz und Denkmalpflege«, erläuterte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale den Anlass der Tagung. »Mit der Veranstaltung möchten wir rechtliche Fragestellungen exemplarisch vorstellen und diskutieren und so das denkmalrechtliche Fachwissen gezielt weitergeben.«
Zwei Beispiele zeigen, wie groß die gesellschaftliche Bedeutung und konkrete Wirkung des Denkmalrechts ist: Vor kurzem hat die Bundesregierung beschlossen, Stromtrassen wo möglich unterirdisch zu verlegen. Aber bei Erdverkabelungen kann das archäologische Erbe beschädigt werden. Was soll man tun, wenn mitten in der ohnehin schon komplizierten Realisierungsphase ein unbekanntes Bodendenkmal entdeckt wird? Das ist nicht nur ein fachliches Problem, sondern auch eine Herausforderung für die Gesetzgebung. Ein anderes Thema ist die bürgerschaftliche Mitwirkung, die viele Potenziale für den Denkmalschutz bietet wie zum Beispiel bei den Leipziger Wächterhäusern oder im Hamburger Gängeviertel. Bei umweltrelevanten Bauvorhaben sind im Europarecht für die Öffentlichkeit Beteiligungsrechte vorgesehen und Naturschutzverbände haben sogar ein Klagerecht. Obwohl das kulturelle Erbe wie die natürliche Umwelt als Allgemeingut gilt, wird im Denkmalrecht aber noch über Klagerechte diskutiert. Oder ist das schon längst durch das Europarecht abgedeckt? Auch mit dieser Frage beschäftigten sich die Tagungsteilnehmer.

Prof. Dr. Jörg Haspel, Präsident des Deutschen Nationalkomitees vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) und DNK-Mitglied freute sich über die Themenstellung der Tagung: »Das DNK hat als Informations- und Diskussionsplattform eine Arbeitsgruppe 'Recht und Steuerfragen‘, in der Juristen und Denkmalpfleger vertreten sind und die Stellungnahmen zu aktuellen Fragen des Denkmalrechts erarbeitet. Dass wir das Thema Denkmalrecht auch mit externen Experten und im internationalen Kontext diskutieren, ist erfreulich und notwendig, um auf die fortschreitende Rechtsprechung zu reagieren, die sich bundesweit, auch in der Frage der Verbindlichkeit von völker- und europarechtlichen Vorgaben, in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt.«
Prof. Dr. Janbernd Oebbecke von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der WWU begrüßte die Kooperation mit dem DNK und dem LWL: »Die rechtswissenschaftliche Arbeit ist auf den Austausch mit der rechtsanwendenden Praxis angewiesen. Eine gemeinsame Tagung mit den im Denkmalschutz tätigen Fachleuten aus den anderen wissenschaftlich Disziplinen ist hierfür eine ausgezeichnete Gelegenheit.«

Die Zukunft des Denkmalrechts steht in Verbindung mit unterschiedlichen Aspekten der gesellschaftlichen Entwicklung. Themen wie Barrierefreiheit, Energiewende und demographischer Wandel können Auswirkungen auf Rechtsprechung und zukünftige Gesetzgebung haben und waren daher auch wichtige Punkte bei den Gesprächen der Tagung.

Hintergrund

Aufgrund der Kulturhoheit der Länder ist die Denkmalschutz-Gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie Sache der Länder. So gibt es in Deutschland insgesamt sechzehn Denkmalschutzgesetze, die sich z.T. durch die festgelegten Begrifflichkeiten und Abläufe unterscheiden. Zuständig für die Umsetzung vor Ort sind in der Regel lokale Behörden der Städte oder Kreise, »Untere Denkmal(schutz)behörde« genannt. Sie sind auch Ansprechpartner für die Eigentümer von Denkmälern, wenn es etwa um die Genehmigung von baulichen Eingriffen, die Notwendigkeit archäologischer Maßnahmen oder um Fördermöglichkeiten geht. Fachbehörden beraten die Unteren Denkmalbehörden und sind bei bestimmten Entscheidungsprozessen mit eingebunden oder sogar weisungsbefugt.

Abbruch Franziskanerkloster Warendorf
Abbruch des ehemaligen Franziskanerklosters in Warendorf im Jahr 2010. Foto: LWL/Barthold
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